Entscheidungsstichwort (Thema)
Dem Reisenden können - je nach den Umständen des Einzelfalles - gegen den Reiseveranstalter reisevertragliche Gewährleistungsansprüche zustehen, wenn sich in dem ihm zur Verfügung gestellten Bett in seiner Unterkunft Ungeziefer befindet, welches ihm Stiche bzw. Bisse zufügt.
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Bemessung eines Minderungsanspruches i. S. v. §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 3 BGB a. F. sind der Berechnung des Reisepreises pro Person und Tag die gesamte Anzahl der Reisetage zugrunde zu legen, mithin unter Hinzuziehung sowohl des An- wie des Abreisetages.
2. Eine Mangelanzeige i. S. v. § 651 d Abs. 2 BGB a. F. ist entbehrlich, wenn dem Reiseveranstalter eine Abhilfe nicht möglich ist.
3. Der Leistungsträger des Reiseveranstalters (einschließlich seiner Bediensteten) ist grundsätzlich nicht Adressat einer Mangelanzeige i. S. v. § 651 d Abs. 2 BGB a. F.. Von diesem Grundsatz kann es aber - je nach den Umständen des Einzelfalles - Ausnahmen geben.
4. Ein Reiseveranstalter ist gehalten, hinsichtlich der von Seiten des klagenden Reisenden aufgestellten Tatsachenbehauptungen bzgl. des Ablaufs der Reise bei seinem jeweiligen Leistungserbringer vor Ort Nachfrage zu halten, ob diese zutreffend sind oder nicht. Unterlässt der beklagte Reisveranstalter eine derartige Nachfrage, ist das bloße pauschale Bestreiten im Verfahren prozessual unbeachtlich.
5. Zu den Grundsätzen zur Bemessung von Minderungs-, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen des Reisenden, die auf - im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters liegende - Bisse bzw. Stiche von Ungeziefer gestützt werden.
Normenkette
BGB a.F. §§ 651 c, 651 d Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 5 O 86/18) |
Tenor
A. Die Kläger buchten bei der Beklagten, einem Reiseunternehmen, eine Pauschalreise nach Kuba vom 25. November bis 10. Dezember 2017 zum Gesamtpreis von 5.448 EUR. Die Kläger hatten dabei - zu einem Aufpreis von 500 EUR - die von der Beklagten angebotene Kategorie "Diamond Club" gebucht. Diese Kategorie beinhaltete u. a. die Zurverfügungstellung eines "persönlichen Butlers", der dem Reisenden jederzeit zur Verfügung stehen sollte. Die Kläger tragen insoweit vor, ihnen sei mitgeteilt worden, "alles" mit ihrer persönlichen Butlerin zu besprechen, die es sodann weiter zum Management oder auch zur Reiseleitung geben würde. Die Kläger behaupten, in der Bettmatratze der Klägerin zu 1 hätten sich Bettwanzen befunden. Bereits nach der ersten Nacht in dem gebuchten Hotel habe die Klägerin zu 1 Stiche an ihrem Körper entdeckt, nach jeder weiteren Nacht seien es mehr geworden, zuletzt rund 300. Am Morgen des 27. November 2017 hätten die Kläger gegenüber ihrer Butlerin M. das Vorhandensein der Bettwanzen gerügt, am 4. Dezember 2017 sodann auch noch unmittelbar gegenüber der Reiseleitung. Mit der vorliegenden Klage machen beide Kläger eine 100 %ige Reisepreisminderung (5.448 EUR) sowie einen Schadensersatzanspruch nach § 651 f Abs. 2 BGB a. F. in Höhe von insgesamt 2.800 EUR geltend, die Klägerin zu 1 darüber hinaus noch einen Schmerzensgeldanspruch, wobei sie sich einen Mindestbetrag in Höhe von 3.500 EUR vorstellt.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die streitgegenständlichen Hautverletzungen von "Ungeziefer - wahrscheinlich Flöhen -" herrühren. Es hat im Hinblick darauf der Klägerin zu 1 einen Minderungsbetrag in Höhe von 802,61 EUR zugesprochen und dem Kläger zu 2 einen solchen in Höhe von 214,03 EUR. In zeitlicher Hinsicht hat es insoweit erst die Beeinträchtigungen ab dem 4. Dezember 2017 berücksichtigt. Die vorherige Mängelanzeige gegenüber der "persönlichen Butlerin" genüge nicht den Anforderungen des §§ 651 d Abs. 2 BGB a. F., da die Mängelanzeige grundsätzlich an den Reiseveranstalter oder an den vor Ort für ihn tätigen Reiseleiter zu richten sei. Ferner hat es der Klägerin zu 1 einen Schadensersatzanspruch für vertane Urlaubszeit nach § 651 f Abs. 2 BGB a. F. in Höhe von 802,61 EUR sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 EUR zugesprochen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, die ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgen, soweit das Landgericht diesen nicht stattgegeben hat. Mit ihrer Anschlussberufung begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit das Landgericht einen Minderungsanspruch über den Betrag von 273 EUR hinaus zugesprochen hat.
B. Der Senat weist auf Folgendes hin:
I. Die streitgegenständliche Reise ist am 26. Oktober 2017 gebucht worden. Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag sind mithin die Vorschriften des Reisevertragsrechts in der bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung anwendbar, Art. 229 § 42 EGBGB (nachfolgend: BGB a. F.).
II. Minderungsanspruch gem. §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 3 BGB a. F.
Gründe
1. Das Landgericht hat nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme die hinreichende Überzeugung davon gewonnen, dass sich in der Matratze des der Klägerin zu 1 zur Verfügung gestellten Bett ...