Leitsatz (amtlich)

Wird ein auswärtiger Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe ohne ausdrückliche Beschränkung i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO beigeordnet, sind dessen Terminsreisekosten aus der Staatskasse zu vergüten, da sich der Umfang des Vergütungsanspruchs gem. § 48 Abs. 1 RVG nach dem Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsbeschluss bestimmt. Daran hat die Entscheidung des 11. Zivilsenats des BGH vom 10.10.2006 - XI ZB 1/06, NJW 2006, 3783 f., nichts geändert.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 121 Abs. 3; RVG § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG H. (Beschluss vom 11.01.2007; Aktenzeichen 12 O 301/05)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 1.12.2006 werden aufgehoben.

Gemäß Antrag vom 23.11.2006 wird die dem Antragsteller aufgrund des Beiordnungs- und Bewilligungsbeschlusses des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG H. vom 17.1.2006 zu gewährende weitere Vergütung (für Fahrtkosten und Tagegeld am 22.11.2006, Akteneinsichtspauschale 23.11.2006 und Mwst.) auf 197,60 EUR festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 17.1.2006 war dem in D. wohnenden Kläger der in W. ansässige Antragsteller im Rahmen der Prozesskostenhilfe als Rechtsanwalt für den ersten Rechtszug vor dem LG H. beigeordnet worden. Eine ausdrückliche Beschränkung der Beiordnung i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO, dass die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erfolgt, enthält der Beiordnungsbeschluss nicht.

Unter dem 23.11.2006 beantragte der beigeordnete Rechtsanwalt einen Kostenvorschuss von 197,60 EUR für Fahrtkosten und Tagegeld anlässlich eines Termins vom 22.11.2006 und die Zahlung einer Akteneinsichtspauschale am 23.11.2006 sowie Umsatzsteuer. Mit Verfügung vom 1.12.2006 lehnte der Urkundsbeamte des LG diesen Vergütungsantrag unter Bezugnahme auf § 121 Abs. 3 ZPO und die Entscheidung des 11. Zivilsenats des BGH vom 10.10.2006 - XI ZB 1/06, juris = AGS 2007, 16 ff. = NJW 2006, 3783 f., ab. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Antragstellers wies der Einzelrichter der 12. Zivilkammer mit dem angefochtenen Beschluss zurück und ließ die Beschwerde zu. Zur Begründung führte der Einzelrichter aus, im Hinblick auf das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO sei eine Beschränkung der Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts auch dann anzunehmen, wenn der Beiordnungsbeschluss keine entsprechende ausdrückliche Anordnung enthalte. Schließlich kenne der Anwalt das Mehrkostenverbot und müsse davon ausgehen, dass seinem Beiordnungsantrag nur in dem gesetzlich zulässigen Umfang stattgegeben wird.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der zugelassenen sofortigen Beschwerde, mit der er geltend macht, eine Einschränkung des Beiordnungsumfangs komme nur bei ausdrücklicher gerichtlicher Anordnung in Betracht.

Der Bezirksrevisor hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, nachdem der Einzelrichter die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen hatte.

II. Das zulässige, insb. fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat Erfolg. Dem Antragsteller sind die mit Antrag vom 23.11.2006 geltend gemachten Kosten i.H.v. 197,60 EUR aus der Staatskasse zu erstatten.

Gemäß § 46 Abs. 1 RVG sind dem beigeordneten Rechtsanwalt Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder zu vergüten, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Parteiinteressen erforderlich waren. Es kommt nicht darauf an, ob die Beauftragung des auswärtigen Anwalts notwendig i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO war; vielmehr bestimmt sich der Umfang des Vergütungsanspruchs gem. § 48 Abs. 1 RVG nach dem die Prozesskostenhilfe bewilligenden und die Beiordnung aussprechenden Beschluss (vgl. KG v. 29.8.2003 - 1 W 185/03, KGReport Berlin 2004, 17 = MDR 2004, 474 f., zur insoweit nicht geänderten Rechtslage unter Geltung von §§ 122, 126 BRAGO; Hartmann, KostG, 36. Aufl., Rz. 5 zu § 48 RVG). Da vorliegend der Beiordnungs- und Bewilligungsbeschluss vom 17. Ja-nuar 2006 eine das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO umsetzende Beschränkung nicht enthält, sind zugunsten des Antragstellers auch die weiteren mit Antrag vom 23.11.2006 geltend gemachten Reisekosten festzusetzen (so die h.M., u.a. KG a.a.O.; OLG Oldenburg v. 16.10.2003 - 12 WF 100/03, OLGReport Oldenburg 2004, 128 = FamRZ 2004, 706 f.; OLG München Rpfl. 2002, 159 f.; OLG Koblenz v. 25.7.2001 - 14 W 525/01, MDR 2002, 175; Göttlich/Mümmler, RVG, 2. Aufl., Prozesskostenhilfe, 9.2.2; Hartung/Römermann/Schons, RVG, Rz. 52 zu § 55; von Eicken/Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 17. Aufl., Rz. 30d zu § 46). Einer Überprüfung hinsichtlich der Notwendigkeit der Reisekosten als solcher bedarf es dann regelmäßig nicht mehr (s. nur von Eicken/Müller-Rabe a.a.O. m.w.N. in Fn. 26).

Der h.M., der auch der erkennende Senat folgt, steht auch nicht die Regelung des § 121 Abs. 3 ZPO unmittelbar entgegen. Denn im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist der Beiordnungs- und Bewilligungsbesch...

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