Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr für Zwischenvereinbarung in einem Sorgerechtsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Festsetzung der Verfahrenskostenhilfevergütung kann auch nach Ablauf des Folgejahres geändert werden, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen des Rechtsanwaltes nicht besteht, weil die Kostenbeamtin ihn vorher formlos zur Rückzahlung aufgefordert hatte.
2. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV entsteht bei einer Zwischenvereinbarung zum Sorgerecht anlässlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens nur dann, wenn ein konkretes gerichtliches Verfahren (einstweiliges Anordnungsverfahren) vermieden wurde. Soweit dieses nicht anhängig war, muss es zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bevorgestanden haben.
Normenkette
RVG § 56; RVG-VV Nr. 1003
Verfahrensgang
AG Peine (Beschluss vom 28.04.2014; Aktenzeichen 10 F 306/12) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Peine vom 28.4.2014 - 10 F 306/12 - wird zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die aus der Ehe des Antragstellers mit der Antragsgegnerin hervorgegangenen Kinder Ö. C., geboren am 13.9.2003, und F. C., geboren am 20.6.2008. Im Termin vom 5.10.2012 schlossen die Kindeseltern einen "Zwischenvergleich", wonach die Kinder derzeit ihren Lebensmittelpunkt beim Vater haben und eine Umgangsanbahnung über die Erziehungsberatungsstelle erfolgen soll. Gleichzeitig beschloss das AG die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung der Verfahrenskostenhilfevergütung für den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers. Dem Antragsteller ist Verfahrenskostenhilfe durch Beschluss vom 5.10.2012 bewilligt worden. Auf den Antrag seines Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag erfolgte am 15.10.2012 die Festsetzung eines Vorschusses in der beantragten Höhe, die 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV beinhaltete.
Unter dem 11.4.2013 wies die Kostenbeamtin darauf hin, dass für einen Zwischenvergleich eine Vergütung nicht erstattet werden könnte und bat um Rückzahlung des zu viel gezahlten Betrages.
Nach Aktenvorlage durch die Kostenbeamtin legte das LG Hildesheim - Der Bezirksrevisor - am 18.2.2014 - eingegangen beim AG P. am 20.2.2014 - Erinnerung gegen die Festsetzung vom 15.10.2012 ein.
Mit Beschluss vom 3.4.2014 half die Kostenbeamtin der Erinnerung ab und setzte die Einigungsgebühr von der zu erstattenden Vergütung ab. Auf die Erinnerung vom 22.4.2014 wies das AG die Erinnerung durch den angefochtenen Beschluss zurück. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers sein erstinstanzliches Anliegen weiter und beruft sich auf Verwirkung.
II. Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 1 RVG zulässig, insbesondere überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR.
Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Insbesondere ist eine Verwirkung nicht eingetreten. Dabei kann offen bleiben, ob aufgrund der Fassung von § 56 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 RVG eine entsprechende Anwendung von § 20 GKG überhaupt in Betracht kommt (zum Streitstand: Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 56 RVG Rz. 6).
Denn vorliegend ist jedenfalls das für eine Verwirkung erforderliche Vertrauensmoment (vgl. nur: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 242 Rz. 95) nicht gegeben. Denn die Kostenbeamtin hat den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bereits mit Verfügung vom 11.4.2013 und damit rund ein halbes Jahr nach der ursprünglichen Festsetzung um Rückzahlung der Einigungsgebühr gebeten. Dabei ist unerheblich, dass die Kostenbeamtin selbst zu einer Abänderung der Vergütungsfestsetzung nicht befugt ist, weil sie - wie hier später erfolgt - jederzeit die Vorlage an den insoweit erinnerungsberechtigten Vertreter der Landeskasse verfügen kann. Die weitere Verzögerung beruht auf dem Fortgang des Hauptsacheverfahrens und der Durchführung des Beschwerdeverfahrens.
Ein schützenswerter Vertrauenstatbestand ist daher seitens des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers nicht gegeben.
2. Das AG hat auf die Erinnerung der Landeskasse zutreffend die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gekürzt. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV ist nicht entstanden. Durch die Zwischenvereinbarung der Beteiligten vom 5.10.2012 ist keine der Alternativen der amtlichen Anmerkung Abs. 2 zu Nr. 1003 RVG-VV verwirklicht worden.
Zur Frage, ob auch eine Zwischenvereinbarung in Kindschaftssachen eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV auslösen kann, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Einerseits wird vertreten, dass eine Einigungsgebühr ausgelöst werde, wenn der Inhalt der Einigung Gegenstand eines selbständigen Verfahrens sein könnte und dieses und der damit verbundene Kostenaufwand durch di...