Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtverteidiger. Beiordnung. Vollstreckungsverfahren. Erledigung. Maßregel. Unterbringung. Beiordnung eines Verteidigers im Fall der Erledigterklärung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Leitsatz (amtlich)
Die Mitwirkung eines Verteidigers im Verfahren zur Erledigung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist regelmäßig in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO erforderlich, wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen fehlender Erfolgsaussicht trotz Fortbestehens des Therapiewillens des Untergebrachten gem. § 67d Abs. 5 StGB für erledigt erklärt wird.
Normenkette
StGB § 64 S. 2, § 67d Abs. 5, § 67e Abs. 1, 2 Alt. 1; StPO § 140 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 21.03.2023; Aktenzeichen 164 StVK 28/23) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 21.März 2023 im Ausspruch über die Nichtaussetzung der Reststrafe zur Bewährung aufgehoben; die Anordnung entfällt. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Landgericht Lüneburg hat den Verurteilten am 3. April 2020 wegen besonders schwerer räuberischen Erpressung in 4 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, in einem anderen Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Nach den Feststellungen dieses Urteils leidet der Verurteilte seit geraumer Zeit an Polytoxikomanie. Die Taten beging der Verurteilte nach den Feststellungen des Landgerichts Lüneburg aufgrund seiner Abhängigkeitserkrankung und seiner dissozialen Seite, die noch keine Persönlichkeitsstörung, aber durchaus eine schwere andere seelische Abartigkeit darstellte, im Zustand eingeschränkter Schuldfähigkeit. Das Urteil ist seit dem 15. April 2020 rechtskräftig. Der Verurteilte wurde am 20. Oktober 2019 vorläufig festgenommen und befand sich vom Folgetag bis zum 22. März 2020 in Untersuchungshaft in vorliegender Sache. Im Anschluss wurde zwischen dem 23. März 2020 bis zum 9. November 2020 die Hälfte einer Jugendstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Leer vom 23. März 2017 (609 Ls 6/17) und im Anschluss daran ab dem 10. November 2020 bis zum 24. September 2021 die Hälfte einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 22. August 2019 (2641 Js 31476/19 VRs der Staatsanwaltschaft Hannover) vollstreckt. Seit dem 24. September 2021 wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie L. (im Folgenden PK-L) vollstreckt. Mit Beschlüssen vom 10. Februar 2022 und vom 13. Juli 2022 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg jeweils die Fortdauer der Unterbringung in der Entziehungsanstalt beschlossen.
In der Anhörung des Verurteilten am 9. Januar 2023 zur Frage der Fortdauer der Unterbringung räumte der Verurteilte ein, dass er am 6. Januar 2023 von einem Geländeausgang mit einem Mitpatienten nicht zurückgekehrt war, sich stattdessen bis zur Nacht vom 7. auf den 8. Januar 2023 in H. aufgehalten und Alkohol und Kokain konsumiert hatte. Daraufhin erforderte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer bei der PK-L eine aktuelle Stellungnahme zu der Erfolgsaussicht der Unterbringung.
Mit Stellungnahme vom 13. Januar 2023 teilte die PK-L mit, der Verurteilte habe im Dezember 2022 vermehrt über Suchtdruck geklagt und sich der Therapie gegenüber ambivalent gezeigt, er habe immer wieder Abbruchsgedanken gehabt. Am 6. Januar 2023 sei der Verurteilte von einem Geländeausgang mit einem Mitpatienten nicht zurückgekehrt und habe stattdessen in H. Alkohol und Kokain konsumiert. Im Anschluss an die Rückkehr des Verurteilten in die PK-L sei bei diesem eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit führenden dissozialen und Borderline-Persönlichkeitsanteilen, eine leichte depressive Episode und ein einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert worden. Diese Persönlichkeitsstörung des Verurteilten erschwere eine Ausbildung einer stabilen Behandlungsbeziehung. Seine weiterhin bestehende starke Suchtmittelabhängigkeit werde durch zwei Suchtmittelrückfälle während des Vollzuges der Unterbringung untermauert. Aktuell scheine der Verurteilte aber dazu bereit, sich auf die Therapie wieder einzulassen. Mit Beschluss vom 30. Januar 2023 ordnete die Strafvollstreckungskammer daraufhin, nachdem der Verurteilte auf die Durchführung einer mündlichen Anhörung verzichtet hatte, die Fortdauer der Unterbringung in der Entziehungsanstalt an.
Mit einer weiteren Stellungnahme zum Behandlungsverlauf vom 7. März 2023 empfahl die PK-L dann aber, die Unterbringung in der Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, weil keine hinreichende Aussicht auf einen therapeutischen Erfolg mehr bestehe. Am 20. Ja...