Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderlichkeit der Vorlage einer schriftlichen Dokumentation zur Erläuterung der Verwendung von Limitierungsmitteln im Rahmen der Neufestsetzung von Versicherungsprämien
Leitsatz (amtlich)
Der Versicherer ist nicht verpflichtet, zur Darlegung und zum Beweis der Rechtmäßigkeit der Verwendung von Limitierungsmitteln gemäß § 155 Abs. 2 Satz 2, 3 VAG eine schriftliche Dokumentation der von ihm vorgenommenen Erwägungen bei der Mittelverwendung vorzulegen.
Normenkette
KVAV; VAG § 155 Abs. 2 Sätze 2-3
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 3 O 305/19) |
Tenor
In dem Rechtsstreit
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wird auf Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 Satz 1 ZPO angeordnet.
Gründe
Die Anordnung ist zweckmäßig. Zweckmäßig ist die Anordnung der Verfahrensruhe nur dann, wenn mit hinreichender Sicherheit eine Förderung des stillzulegenden Verfahrens durch andere Maßnahmen zu erwarten ist (Stackmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. (2020), § 251 ZPO, Rn. 6; Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. (2022), § 251 ZPO, Rn. 3). Zweckmäßig kann eine Anordnung insbesondere dann sein, wenn der Ausgang eines anderen, aber nicht vorgreiflichen Verfahrens (etwa eines Musterverfahrens) oder das Beweisergebnis in einem anderen Verfahren einen verfahrensfördernden Erkenntnisgewinn vermuten lassen (Jaspersen in: BeckOK ZPO, Stand: 1.7.2022, § 251 ZPO, Rn. 5). Dies ist hier der Fall.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung, insbesondere unter anderem darüber, ob diese nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften und eventuell zugunsten des Versicherten davon abweichenden vertraglichen Bestimmungen in Einklang stehend anzusehen sind.
a. Das Kammergericht hat zu der auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Frage der Überprüfbarkeit von vom Versicherer verwendeten Limitierungsmaßnahmen entschieden (Urteile vom 8. Februar 2022 - 6 U 20/18 und - 6 U 88/18), dass für die Beweisführung über die Angemessenheit der Mittelverwendung von Limitierungsmaßnahmen vom Versicherer eine - auch dem Treuhänder im Zustimmungsverfahren übermittelte - schriftliche oder in Dateiform niedergelegte Dokumentation vorgelegt werden müsse, aus der sich im Sinne einer Erläuterung zumindest in knapper Form entnehmen lasse, inwieweit die konkret erfolgte Mittelverwendung mit den Verteilungsgrundsätzen und den Belangen aller Versicherten übereinstimme (vgl. Urteil vom 8. Februar 2020 - 6 U 20/18 -, Rnrn. 82, 93, 97, 98, 100-102, juris).
b. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass es der Vorlage eines solchen erläuternden Konzepts, aus dem sich die tragenden Gründe für die vorgenommenen Limitierungsmaßnahmen nachvollziehen lassen, nicht bedarf.
aa. Die gerichtliche Überprüfung der Beitragsanpassung umfasst auch die Limitierungsmaßnahmen. Denn Maßnahmen zur Limitierung der Beitragserhöhung durch Verwendung der Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen sind in systematischer Hinsicht Teil der Prämienberechnung (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17 -, Rn. 51, juris). Die Feststellung, ob die im Rahmen einer Nachkalkulation nach § 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F. bzw. § 155 VAG errechneten Anpassungen limitiert werden müssen und inwieweit dem Versicherer dafür Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zur Verfügung stehen, ist Bestandteil der Neukalkulation der Prämie (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17 -, Rn. 51, juris). Bei der Frage, ob und in welcher Höhe die Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zu verwenden sind, handelt es sich zwar im Kern um eine unternehmerische Entscheidung, die gerade nicht durch inhaltliche gesetzliche Vorgaben determiniert werden sollte. Dem Treuhänder kommt jedoch insoweit eine Kontrollfunktion zu und er darf sein Veto nur einlegen, wenn sich die Entscheidung des Versicherers nicht im Rahmen dessen hält, was bei Beachtung der gesetzlichen Beurteilungsspielräume, deren Einhaltung der Treuhänder unter Anwendung eines objektiv generalisierenden Maßstabs überwachen soll, zulässig ist (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17 -, Rn. 52, juris). Dabei bedeutet der Ansatz eines "objektiv generalisierenden Maßstabes" bei der Beurteilung der ausreichenden Wahrung der Belange der Versicherten und der Zumutbarkeit, dass es nicht auf die Prüfung der Zumutbarkeit der sich für den Einzelnen ergebenden Prämiensteigerung, sondern auf die Zumutbarkeit der Beitragserhöhung für das betroffene Kollektiv ankommt, da der Treuhänder Vertreter der Gesamtheit der Versicherten, nicht aber Interessenvertreter eines einzelnen Versicherten ist (so auch KG, Urteil vom 8. Februar 2022 - 6 U 20/18 -, Rn. 55, juris). Die Prämienanpassung bezieht sich zwar stets auf einzelne Tarife. Die Verwendung von Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen zwecks Prämienlimitierung muss gleichwohl für alle Tarife berücksichtigt werden, damit der Versicherer die zur Verfügung s...