Leitsatz (amtlich)
Gegen einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO sind die in der Prozessordnung vorgesehenen Rechtsmittel auch dann zulässig, wenn sich die Haftanordnung vor Rechtsmitteleinlegung erledigt hat. Es kommt insoweit in der Regel nicht darauf an, ob im konkreten Fall bei frühzeitiger Einlegung der Rechtsmittel der Instanzenzug möglicherweise noch vor Eintritt der Erledigung hätte ausgeschöpft werden können.
Tenor
Die weitere Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts ####### vom 10. Januar 2003 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 7. August 2002 gegen den Angeklagten Anklage wegen Betruges und Urkundenfälschung beim Amtsgericht ####### - Strafrichter - erhoben. In dem - nach Eröffnung des Hauptverfahrens - auf den 21. November 2002 anberaumten Hauptverhandlungstermin erschien der ordnungsgemäß geladene Angeklagte nicht. Er hatte jedoch vor Verhandlungsbeginn der Geschäftsstelle fernmündlich mitgeteilt, er sei mit 39(Fieber erkrankt, befinde sich gerade bei seinem Hausarzt ####### und werde umgehend ein Attest übersenden. Das Amtsgericht setzte die Hauptverhandlung aus, behielt sich aber den Erlass eines Haftbefehls vor.
Nachdem entgegen der Ankündigung ein ärztliches Attest bis zum 2. Dezember 2002 nicht zu den Akten gelangt war, erließ das Amtsgericht am 3. Dezember 2002 Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Dieser wurde dem Angeklagten nach seiner Festnahme am 18. Dezember 2002 verkündet. Bei der Verkündung erklärte der Angeklagte, er hätte dem Gericht noch am 21. November per Fax eine ärztliche Krankschreibung durch ####### übermittelt. Gleichzeitig entband der Angeklagte ####### hinsichtlich der Behandlung/Untersuchung vom 21. November von der ärztlichen Schweigepflicht. Das Amtsgericht setzte den Haftbefehl darauf außer Vollzug.
Als der Strafrichter am 19. Dezember 2002 bei ####### anrief, um Auskünfte über die angebliche Erkrankung am Terminstag einzuholen, erklärte dieser, er könne keine Auskünfte erteilen, weil der Angeklagte die Schweigepflichtsentbindungserklärung zwischenzeitlich widerrufen habe. Als der damalige Verteidiger des Angeklagten dem Gericht dann noch zur Kenntnis brachte, dass der Angeklagte ####### am 21. November gar nicht aufgesucht hatte, setzte der Strafrichter den Haftbefehl wieder in Vollzug und beraumte Hauptverhandlung auf den 14. Januar 2003 an.
Bei der neuerlichen Haftbefehlsverkündung nach Festnahme am 9. Januar 2003 behauptete der Angeklagte, er habe die Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht nur hinsichtlich der Diagnose widerrufen. Richtig sei allerdings, dass er am 21. November nicht bei ####### vorstellig geworden sei. Der Angeklagte wies ferner darauf hin, dass er seinen "Job" verlöre, wenn er weiter in Haft bleiben müsse. Die nunmehr zuständige Strafrichterin ließ den Haftbefehl gleichwohl in Vollzug, der Angeklagte legte Beschwerde ein.
Die 6. große Strafkammer des Landgerichts hat die Beschwerde mit Beschluss vom 10. Januar 2003 verworfen. Im Hauptverhandlungstermin vom 14. Januar 2003 hob die Strafrichterin den Haftbefehl nach neuerlicher Aussetzung des Verfahrens auf.
Mit seinem als sofortige Beschwerde bezeichneten Rechtsmittel vom 17. Januar 2003 wendet sich der Angeklagte gegen den Beschluss vom 10. Januar 2003. Die Strafkammer hält die weitere Beschwerde wegen infolge der Aufhebung des Haftbefehls entfallenen Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig und hat das Rechtsmittel als Gegenvorstellung behandelt, die unbegründet sei. Zur Entscheidung über die weitere Beschwerde hat sie die Akten dem Senat vorgelegt.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1.
Allerdings ist die weitere Beschwerde entgegen der Auffassung des Landgerichts gemäß §§ 310 Abs. 1, 304 ff. StPO zulässig. Insbesondere ist von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung der Haftentscheidung auch nach Aufhebung des Haftbefehls auszugehen.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 96, 27, 40; NJW 1998, 2131, 2132; StV 1999, 295) ist aus der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) herzuleiten, dass Betroffenen im Falle eines tiefgreifenden Grundrechts-eingriffs die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung auch dann noch einzuräumen ist, wenn der Eingriff sich zwischenzeitlich erledigt hat und nicht mehr fortwirkt. Dies gilt jedenfalls dann, "wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. "(BVerfGE 96, 27, 40)
Das ist hier der Fall. Der Vollzug des Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht des Angeklagten aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG dar. Typi...