Leitsatz (amtlich)

1. Zur Kostentragungspflicht der Landeskasse bei Tod eines in erster Instanz aus tatsächlichen Gründen freigesprochenen Angeklagten.

2. Anders als § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO oder § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG setzt § 5 Abs. 2 StrEG einen Schuldverdacht nicht voraus. Vielmehr knüpft sie allein an die Ursächlichkeit und das Verschulden einer Person in Bezug auf das Herbeiführen einer Strafverfolgungsmaßnahme an. Liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG vor, ist ein Ermessen des Gerichts nicht eröffnet.

 

Normenkette

StrEG §§ 5-6

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 13.12.2010; Aktenzeichen 37 Ns 59/10)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich Ziffer 3) des Beschlusstenors aufgehoben.

Der Antrag des ehemals Angeklagten auf Feststellung, dass ihm eine Entschädigung für Urteilsfolgen und Strafverfolgungsmaßnahmen nach §§ 1, 2 StrEG zusteht, wird abgelehnt.

Die sofortige Beschwerde wird im Übrigen als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der ehemals Angeklagte. Die Beschwerdegebühr wird um 3/4 ermäßigt. Im selben Umfang trägt die Landeskasse die dem ehemals Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

I. Gegen den ehemals Angeklagten erhob die Staatsanwaltschaft unter dem 29. November 2007 Anklage wegen Untreue in 22 Fällen. Das Amtsgericht Hannover sprach den ehemals Angeklagten durch Urteil vom 4. April 2008 frei. Auf die hiergegen erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht Hannover das Urteil auf und verurteilte den ehemals Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten zur Bewährung, von denen zwei Monate als verbüßt galten. Die hiergegen erhobene Revision des ehemals Angeklagten führte zur Aufhebung des Kammerurteils durch Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats am 1. Juni 2010 und zur Zurückweisung der Sache an eine andere Kammer des Landgerichts.

Der ehemals Angeklagte ist am xxxxxxxxxxxxxxx verstorben. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer das Verfahren gemäß § 206a StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens nach § 467 Abs. 1 StPO der Landeskasse auferlegt (Ziffer 1 des Beschlusses). Zugleich hat sie angeordnet, dass die notwendigen Auslagen des ehemals Angeklagten für das gesamte Verfahren von der Landeskasse zu tragen sind (Ziffer 2 des Beschlusses) und "festgestellt, dass dem ehemaligen Angeklagten eine Entschädigung für Urteilsfolgen und Strafverfolgungsmaßnahmen gem. §§ 1, 2 StrEG zusteht" (Ziffer 3 des Beschlusses).

Gegen Ziffer 2 und 3 des Beschlusses richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch nur hinsichtlich des Feststellungsantrags des ehemals Angeklagten begründet.

1. Infolge der Einstellung des Verfahrens nach dem Tod des ehemals Angeklagten ist die Auslagenentscheidung im angefochtenen Beschluss nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 467 Abs. 1 StPO (vgl. OLG Celle, NJW 2002, 3720). Der Ausnahmetatbestand des § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO ist nicht gegeben. Hiernach kann davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen eines Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Das Verfahrenshindernis muss hiernach letztlich alleinige Ursache der Einstellung gewesen sein. erst dann ist ein Ermessen im Sinne von § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO eröffnet. Hierbei ist indessen umstritten, wann eine Verurteilung 'nur" wegen eines Verfahrenshindernisses nicht erfolgt bzw. welche Dichte der gegen den Angeklagten bestehende Verdacht neben dem Verfahrenshindernis hierbei erreicht haben muss.

Nach der historisch und mit dem Wortlaut begründeten, restriktiven Auffassung wird überwiegend für erforderlich gehalten, dass die Schuld des Angeklagten nach bereits durchgeführter Hauptverhandlung festgestellt worden ist oder zumindest bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses frei von Zweifeln mit Sicherheit von einer Verurteilung des Angeklagten auszugehen ist (statt vieler: BGH NStZ 1995, 406. OLG Celle aaO. OLG Hamm, NStZRR 1997, 127. KG, NJ 1999, 494. NJW 1994, 600. StraFo 2005, 483. BayObLG, NJW 70, 875. LRHilger, 26. Aufl., § 467 StPO Rn. 53. KKGieg, 6. Aufl. § 467 StPO Rn. 10). Teilweise wird vorausgesetzt, dass ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei einer erneuten Hauptverhandlung die Tatschuld in Frage stellen würden (BGH, NStZ 2000, 330), oder dass die Verurteilung des Angeklagten hinreichend sicher erscheint (OLG Köln, StraFo 2003, 105). Nach einer weiteren Auffassung soll ein erheblicher Tatverdacht ausreichen, der anzunehmen sei bei einem ins Auge springenden, mehr als hinreichenden, nämlich massiven Tatverdacht, bei der eine Verurteilung auf der Hand liege (ThürOLG NStZRR 2007, 254), während zum Teil ein zumindest hinreichender Tatverdacht für ausreichend erachtet wird, um von der Regelung der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO Gebrauch machen zu können (OLG Hamm, NStZRR 2001,...

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