Leitsatz (amtlich)
Ein nach § 77 Abs. 3 StGB grundsätzlich strafantragsberechtigter Betreuer ist von diesem Recht ausgeschlossen, wenn er selbst der Beteiligung an der Tat verdächtig ist. Dies gilt auch für die Stellung von Strafanträgen gegen Mitbeteiligte.
Der Betreuer eines volljährigen Strafantragsberechtigten kann einen wirksamen Strafantrag für den Betreuten stellen, wenn das Betreuungsgericht seinen Aufgabenkreis ausdrücklich auf die Stellung von Strafanträgen erweitert hat. Weder der allgemeine Aufgabenkreis der Vermögenssorge noch der der Vertretung gegenüber Behörden enthalten dieses höchstpersönliche Recht.
Normenkette
StGB § 77 Abs. 3-4, § 77b Abs. 13; BGB § 1896
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 17.10.2011) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 17.10.2011 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Gründe
Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
I. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Kammer hat der Angeklagte in der Zeit vom 18.01.2006 bis zum 05.01.2007 in 61 Fällen die ecKarte seines unter Betreuung stehenden Schwagers an sich genommen und ohne dessen Wissen und Wollen unter Verwendung der PIN Bargeldabhebungen in einer Gesamthöhe von ca. 16 600, Euro vom Konto des Geschädigten getätigt. Der Angeklagte hat damit zum Nachteil eines Angehörigen i. S. des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 a) StGB gehandelt, so dass ein wirksamer Strafantrag gemäß § 263 a Abs. 2, § 263 Abs. 4 und § 247 StGB Verfahrensvoraussetzung war, deren Vorliegen der Senat von Amts wegen zu prüfen hatte. Die Kammer ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Strafantrag des Betreuers S. vom 25.06.2008 wirksam war.
Rechtsanwalt S. war als Betreuer zu dieser Antragstellung berechtigt und hat auch die Antragsfrist eingehalten.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil hatte zunächst die Zeugin T. M. als damalige Betreuerin des Geschädigten P. Kenntnis von den unrechtmäßigen Abhebungen durch ihren Ehemann, den Angeklagten. Wie sich aus den Ermittlungsakten ergibt, war diese Zeugin zunächst Mitbeschuldigte. Ist aber der gesetzliche Vertreter i. S. des § 77 Abs. 3 StGB selbst der Beteiligung an der Tat verdächtig, ist er von der Vertretung im Rahmen der Strafantragsstellung ausgeschlossen (vgl. BGHSt 6, 155, 157. Schönke Schröder Sternberg Lieben/Bosch, StGB, 28. Aufl. § 77 Rdnr. 21). Dies gilt auch für die Stellung eines Strafantrags gegen Mitbeteiligte, hier also gegen den Ehemann (vgl. Leipziger Kommentar Jähnke, StGB, 11. Aufl., § 77 Rdnr. 48). Dieses rechtliche Hindernis folgt sowohl aus dem "nemo tenetur" Grundsatz als auch aus dem hinter § 181 BGB stehenden Rechtsgedanken, dass einem Vertreter keine Vertretungsbefugnis zukommt, wenn er als Gegner des Vertretenen auftritt (vgl. BGH aaO.). Somit war die zunächst Beschuldigte und spätere Zeugin T. M. rechtlich an der Strafantragsstellung gehindert.
Aus dem Sonderheft mit Auszügen aus der Betreuungsakte ergibt sich ferner, dass das Amtsgericht Lehrte am 12.02.2008 die bisherige Betreuerin T. M. entlassen und stattdessen den Rechtsanwalt S. zum neuen Betreuer bestellt hat (Sonderheft Bl. 122). Als Aufgabenkreis hat das Amtsgericht für den Betreuer die Vermögenssorge, die Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung sowie die Vertretung gegenüber Körperschaften, Behörden und Rechtsanwälten bestimmt. Beim Wechsel des gesetzlichen Vertreters tritt der Nachfolger in die Antragsbefugnis seines Vorgängers ein. Daher muss er sich grundsätzlich die bereits für den Vorgänger abgelaufene Strafantragsfrist anrechnen lassen (Schönke Schröder aaO. § 77 b Rdnr. 18). Hier war jedoch die zuvor eingesetzte Betreuerin T. M. aus den oben dargelegten Gründen an der Strafantragsstellung rechtlich gehindert. In derartigen Fällen wird die Strafantragsfrist des § 77 b StGB nicht in Gang gesetzt (vgl. Schönke Schröder aaO., Rdnr. 19 m. w. N.). Daher lief für den neuen Betreuer eine eigene Strafantragsfrist. Da der Betreuer erst mit seiner Bestellung grundsätzlich zur Stellung von Anträgen im Namen des Betreuten berechtigt ist, läuft die Strafantragsfrist für ihn erst mit seiner Bestellung, auch wenn er schon vorher von der Tat wusste (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 77 b Rdnr. 7).
a) Die Entscheidung zur Stellung eines Strafantrags gemäß § 247 StGB, auf den auch § 263 a Abs. 2 StGB verweist, berührt allerdings vorrangig familienrechtliche und nicht vermögensrechtliche Interessen. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber dem Interesse von Angehörigen auf Wahrung des Familienfriedens Vorrang vor dem unbedingten Strafverfolgungsrecht des Staates eingeräumt. Als höchstpersönliches Recht betrifft es daher die Angelegenheit der Personenfürsorge und nicht der Vermögenssorge (so bereits OLG Hamm, NJW 1960, 834, 835). Daraus folgt, dass der Aufgabenkreis der Vermögenssorge, für den der Betreuer S. am 12.02.2008 bestellt wurde, ihn n...