Entscheidungsstichwort (Thema)
Materielle Voraussetzungen für den Erlass einer Gewaltschutzanordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz dient nicht der Durchsetzung beliebiger anderweitig gesetzlich angeordneter oder sonst wünschenswerter Verhaltensweisen im persönlichen Nahbereich, sondern ist beschränkt auf eben die in den §§ 1 und 2 GewSchG genannten qualifizierten Fälle, deren Vorliegen im Einzelfall positiv festgestellt werden muss.
2. § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a GewSchG setzt ein erfolgtes Eindringen in die Wohnung oder das befriedete Besitztum voraus; ein Versuch ist nicht ausreichend (Bestätigung von AG Flensburg - Beschl. v. 21.1.2004 - 94 Fa 8/04 - NJOZ 2005, 270 f. = ZfJ 2005, 38 = ZKJ 2006, 476).
Normenkette
GewSchG § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 30.11.2011; Aktenzeichen 627 F 5323/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 30.11.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller (§§ 81, 84 FamFG).
Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 1.000 EUR (§§ 49 Abs. 1 Alt. 1, 41 FamGKG.
Gründe
I. Die Beteiligten sind seit gut zwei Jahren Mieter zweier Wohnungen, die im selben, äußerst hellhörigen Wohnhaus übereinander liegen. Der Antragsteller fühlt sich seit rund einem halben Jahr wiederholt von Geräuschen aus der Wohnung des Antragsgegners gestört. Er hat diesbezüglich verschiedene Lärmprotokolle gefertigt und sich an den Antragsgegner wie die Hausverwaltung gewandt.
Am 22.10.2011 rief der Antragsteller wegen lautstarker Gespräche aus der Wohnung des Antragsgegners gegen 01:40 Uhr die Polizei, die auch tatsächlich erschien. Kurz darauf will der Antragsteller - wie er auch eidesstattlich versichert hat - in der Wohnung des Antragsgegners dessen Stimme mit den Worten "Ruf noch einmal die Bullen, du Hurensohn" gehört haben. Gegen 02:30 Uhr habe der für ihn durch den "Türspion" erkennbare Antragsgegner gegen die Tür des Antragstellers getreten, so dass daran Schuhsohlenabrieb verblieb. Der Antragsgegner habe sodann gerufen "Mach die Tür auf". Durch dessen Verhalten habe er sich bedroht gefühlt und weiche Knie bekommen. Der Antragsteller behauptet weiter für die Nacht vom 25. auf den 26.11.2011 erneut Ruhestörungen sowie wiederum einen Polizeieinsatz. Zu von ihm befürchteten erneuten "Bedrohungshandlungen" durch den Antragsgegner ist es jedoch nach eigener Darstellung des Antragstellers nicht gekommen.
Der Antragsteller hat im vorliegenden, von ihm am 10.11.2011 eingeleiteten Verfahren eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) gegen den Antragsgegner begehrt, mit dem diesem untersagt werden soll, beim Antragsteller zu klingeln, an dessen Wohnungstür zu klopfen oder zu treten oder sich ihr näher als einen Meter zu nähern. Weiter soll dem Antragsgegner aufgegeben werden, sich dem Antragsteller nicht näher als zwanzig Meter zu nähern bzw. bei einem Aufeinandertreffen im gemeinsamen Wohnhaus sofort einen gebührenden Abstand herzustellen.
Das AG hat die Beteiligten persönlich angehört. Dabei hat der Antragsgegner die im Termin bekräftigte Darstellung des Antragstellers für den 22.10.2011 in Abrede genommen; er hat angegeben, vor dem fraglichen Zeitraum etwas getrunken gehabt zu haben und sich nicht mehr im Einzelnen erinnern zu können. Zugleich hat er sein Bedauern ausgedrückt, soweit er den Antragsteller beleidigt haben sollte. Eine eidesstattliche Erklärung zu seiner Darstellung hat der Antragsgegner nicht abgegeben.
Eine durch das AG angeregte einvernehmliche Lösung ist an der vom Antragsteller zur Voraussetzung dazu erklärten Forderung gescheitert, es müsse der Antragsgegner sämtliche Kosten übernehmen und eine gerichtliche durch Ordnungsmittel durchsetzbare Entscheidung ergehen.
Das AG hat mit Beschluss vom 30.11.2011, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, den Antrag zurückgewiesen. Es hat bereits Zweifel daran geäußert, ob vorliegend eine Tat nach § 1 GewSchG begangen worden oder aufgrund konkreter Umstände mit einer derartigen Begehung zu rechnen sei. Jedenfalls sei aber - da mangels Vorliegen einer Gewalttat nicht die Wiederholungsgefahr indiziert würde - die erforderliche Begehungsgefahr nicht festzustellen.
Gegen diesen, ihm am 22.12.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 5.1.2012 beim AG eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der sein Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, aufgrund der vom Antragsgegner unterlassenen Glaubhaftmachung lägen "unstreitig die Voraussetzungen [nach] § 1 GewSchG vor". Im Übrigen habe das AG zu hohe Voraussetzungen an die Wiederholungsgefahr gestellt.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben.
Dabei kann der Senat unmittelbar in der Sache entscheiden, da auch im Lichte des Beschwerdevorbringens keine weiteren Feststellungen notwendig sind und der Senat von einer Wiederholung der zeitnah erfolgten und gut doku...