Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellungsansprüche gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Voraussetzungen für eine "Attributsklage"
Leitsatz (amtlich)
1. Das Familiengericht ist gem. § 266 FamFG zuständig sowohl für einen auf Freistellung von der gesamtschuldnerischen Haftung für während der Ehezeit gemeinsam eingegangenen Verbindlichkeiten gerichteten Antrag als auch für einen solchen, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass eine aus einer derartigen gesamtschuldnerischen Haftung herrührende und zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung (auch) auf unerlaubter Handlung beruht ("Attributsklage").
2. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesamtschuldners kann dieser durch einen anderen Gesamtschuldner nicht mehr auf Freistellung im Innenverhältnis in Anspruch genommen werden.
3. Die Klage bzw. der Antrag auf Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle festzustellende Forderung (auch) auf unerlaubter Handlung beruht ("Attributsklage") ist erst zulässig, wenn diese sowohl dem Grunde und der Höhe nach zur Insolvenztabelle festgestellt als auch vom Gläubiger hinsichtlich ihrer deliktischen Anspruchsgrundlage hinreichend konkret angemeldet worden als auch ein Widerspruch des Schuldners gegen den deliktischen Charakter der Forderung in die Insolvenztabelle eingetragen ist.
Normenkette
FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 426; InsO § 174 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 26.04.2013; Aktenzeichen 610 F 1167/13) |
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Die im Juni 1999 geschlossene Ehe der Beteiligten, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind, ist nach im Februar 2012 erfolgter Trennung durch seit dem 13.3.2013 insofern rechtskräftigen Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover geschieden worden.
Im vorliegenden - im Februar 2013 eingeleiteten - Verfahren will die Ehefrau (Antragstellerin) den Ehemann (Antragsgegner) "im Innenverhältnis" auf Freistellung von sämtlichen Ansprüchen der ... Bank AG (...) im Hinblick auf ein "für beide Eheleute geführtes gemeinsames Konto", das zwischenzeitlich aufgelöst wurde, in Anspruch nehmen und hat dafür um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht.
Nach dem Vortrag der Antragstellerin soll dieses 2009 eröffnete - ausdrücklich so bezeichnete - "gemeinschaftliche Konto" der Eheleute im Mai 2012 um 625,40 EUR überzogen gewesen sein. Nachdem mit Beschluss vom 15.11.2012 (AG Hannover 905 IK 1674/12-5) über das Vermögen des Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat die ... Bank mit Schreiben vom 29.11.2012 die Geschäftsverbindung gekündigt und die Antragstellerin zur Zahlung der offenen Gesamtforderung i.H.v. noch 538,21 EUR aufgefordert.
Mit weiterem Schriftsatz vom 8.4.2013 hat die Antragstellerin vorgetragen, die auf dem - ihr zwischenzeitlich von der ... Bank in Ablichtung übermittelten - Vertrag zur Eröffnung des fraglichen Kontos befindlichen Unterschriften stammten nicht von ihr.
Das AG hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 26.4.2013 die nachgesuchte VKH versagt. Es hat dabei darauf abgestellt, dass die Rechtsverfolgung angesichts der gerichtsbekannten gänzlichen Vermögenslosigkeit beider Beteiligter verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die ihr Begehren weiterverfolgt und ergänzende rechtliche Überlegungen anstellt. Dabei verweist sie nunmehr u.a. darauf, auf die Durchführung dieses Verfahrens auch deshalb angewiesen zu sein, um die verfahrensgegenständliche Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes gem. § 174 Abs. 2 InsO und Darlegung ihrer Herkunft aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle anmelden zu können.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt. Der originär berufene Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II.1. Die Beschwerde ist bereits gem. §§ 117 Abs. 3 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO unzulässig, da der Verfahrenswert der Hauptsache die sog. 'Erwachsenheitssumme', also den in § 511 ZPO genannten Betrag von 600 EUR, nicht übersteigt. Der erstinstanzliche Verfahrenswert bestimmt sich im Streitfall nach dem Wert der begehrten Freistellung, die vorliegend den Betrag von 538,21 EUR betrifft. Selbst wenn man die bis zur Anhängigkeit des Antrages am 25.2.2013 angefallenen Verzugszinsen, wie sie von der ... Bank geltend gemacht werden, für die Wertbemessung für maßgeblich erachten wollte, würde damit die Erwachsenheitssumme nicht einmal annähernd erreicht.
2. Die Beschwerde wäre jedoch auch in der Sache nicht begründet.
a. Zutreffend sind allerdings Antragstellerin wie AG von einer Zuständigkeit des Familiengerichts für die in Rede stehenden Ansprüche ausgegangen. Freistellungsansprüche des einen Ehegatten gegen den anderen im Hinblick auf während der Ehe begründete gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten stellen ebenso sonstige Familiensachen i.S.v. § 266 A...