Leitsatz (amtlich)
Materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren sind - auch bei der Frage der Nichtigkeit eines Anwaltsvertrages - nur berücksichtigungsfähig, wenn sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können.
Zur Klarstellung in Bezug auf die Entscheidung des Senats vom 19. Januar 2017 - 2 W 12/17 - macht der Senat deutlich, dass er materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren - auch bei der Frage der Nichtigkeit eines Anwaltsvertrages - nur für berücksichtigungsfähig erachtet, wenn sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können.
Es bleibt bei dem Grundsatz, dass die Frage, ob ein Anwaltsvertrag aus berufsrechtlichen Gründen nichtig sei, eine materiell-rechtliche Einwendung darstellt, die im Kostenfestsetzungsverfahren generell nicht zu prüfen ist.
Normenkette
ZPO § 104
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 14.03.2023; Aktenzeichen 6 O 105/19) |
Tenor
Die am 3. April 2023 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den ihm am 20. März 2023 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim ≪6 O 105/19≫ vom 14. März 2023 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.839,34 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet und war zurückzuweisen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten beider Instanzen auf 7.839,34 EUR festgesetzt hat. Insbesondere hat sie es zu Recht abgelehnt, die vom Beklagten behauptete und von der Klägerin bestrittene Nichtigkeit deren Anwaltsvertrages mit ihren Prozessbevollmächtigten im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen.
Da das Kostenfestsetzungsverfahren nur den Zweck hat, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Kostengrundentscheidung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; hierfür steht der Weg über § 775 Nr. 4, 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) offen [BGH, NJW-RR 2007, 422; BGH, MDR 2014, 865 (866); Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage, Bearbeiter Herget zu § 104 Rn. 21.56; Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, 20. Auflage, Bearbeiter Flockenhaus zu § 104 Rn. 8; Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, 81. Auflage, Bearbeiter Bünnigmann zu § 104 Rn. 11 und 12]. Eine Ausnahme ist nur für Einwände zu machen, deren tatsächlichen Voraussetzungen unstreitig sind oder vom Rechtspfleger bzw. von der Rechtspflegerin ohne Schwierigkeiten aus den Akten zu ermitteln sind [BGH, NJW-RR 2007, 422, 423 [BGH 22.11.2006 - IV ZB 18/06]; BGH, MDR 2014, 865 (866) [BGH 14.05.2014 - XII ZB 539/11]; BGH, MDR 2010, 412 [BGH 09.12.2009 - XII ZB 79/06]]. Dies hat seine Gründe in der Verfahrensökonomie [dies., a.a.O.; Anders/Gehle-Bünnigmann, § 104 Rn. 13 m.w.N.; Musielak/Voit-Flockenhaus, § 104 Rn. 9 m.w.N.; Zöller-Herget, § 104 Rn. 21.56 m.w.N.]. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, der sich in dem Rechtsstreit selbst vertritt, wendet gegen die von der Klägerin am 4. Februar 2021 (erste Instanz) und 25. März 2022 (zweite Instanz) beantragte Kostenfestsetzung maßgeblich ein, es existiere kein Honoraranspruch der Klägervertreter gegenüber der Klägerin, weil der Anwaltsvertrag wegen Vorliegens einer Interessenkollision gemäß § 134 BGB i.V.m. § 43a BRAO nichtig sei; die Klägervertreter hätten in derselben Rechtssache gleichzeitig oder nacheinander Personen (Klägerin und Zeugin) vertreten, deren Interessen gegenläufig seien. Hierzu macht er in seinem Schriftsatz vom 26. September 2022 auf 21 eng beschriebenen Seiten Ausführungen, für deren Richtigkeit er auf diverse Anlagen und eine Zeugenvernehmung verweist. Dabei prüft er die behauptete Interessenkollision unter arbeitsrechtlich-zivilrechtlichen Aspekten sowie unter prozessrechtlich-zivilrechtlichen Gesichtspunkten und aus strafrechtlichen Erwägungen. Seine Rechtsauffassung hat er in seinen Schriftsätzen vom 13. Oktober 2022, 21. Juni 2023 und 30. Juli 2023 weiter vertieft. Die Klägervertreter haben die Behauptung eines Interessenkonflikts zurückgewiesen; insbesondere haben sie das Vorliegen eines Mandatsverhältnisses zu der Zeugin bestritten. Die Rechtspflegerin hat in ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 20. Juli 2023 die vom Beklagten als Beweismittel aufgeführten Anlagen B 21 und B 22 mit dem Vorbringen der Klägerin abgeglichen und das Klägervorbringen als in sich stimmig und widerspruchsfrei angesehen.
Damit erweist sich der Sach- und Streitstand zur behaupteten Interessenskollision ...