Normenkette

BGB §§ 397, 779

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 8 OH 2/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das LG Hannover zurückverwiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin übersandte der Antragsgegnerin am 22.3.2002 eine Kostennote, in der u.a. „15/10 gem. DAV-Abkommen” berechnet wurden. Die geforderten Kosten beglich die Antragsgegnerin am 26.3.2002. Später folgte noch ein Schriftwechsel, der zu der Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 250 Euro führte. Die Antragstellerin hat nunmehr die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens im Wege der Beweissicherung beantragt. Diesen Antrag hat das LG mit der Begründung zurückgewiesen, es liege kein Rechtsschutzinteresse vor, weil in der Geltendmachung einer 15/10-Gebühr gem. DAV-Abkommen ein Verzicht auf weitere Ansprüche zu sehen sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

II. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Es ist schon sehr zweifelhaft, ob der Ansicht des LG und der von ihm zitierten AG zu folgen ist, dass die Inrechnungstellung einer 15/10-Gebühr gem. DAV-Abkommen und einer darauf folgenden Zahlung als ein Verzicht auf weiter geltend gemachte Ansprüche (so das LG) oder als Erlassvertrag oder gar als Abfindungsvergleich zu werten ist. Diese Bedenken ergeben sich daraus, dass das genannte Abkommen ganz offensichtlich von den Haftpflichtversicherern und einer Anwälte vertretenden Organisation geschlossen wurde und die Versicherten davon gar keine Kenntnis haben. Auch dem schon seit vielen Jahren als Straßenverkehrssenat tätigen Senat war die vom LG angenommene Rechtsauffassung bisher unbekannt. Bisher hat sich auch noch nie eine Partei darauf berufen, durch die Zahlung einer 15/10-Rechtsanwaltsgebühr seien alle Ansprüche des Geschädigten wie bei einem Abfindungsvergleich erledigt. Letztlich kann die Frage, ob der Auffassung des LG zu folgen ist, wenn es um bereits geltend gemachte Schadensersatzansprüche geht, auch offen bleiben. Denn in der Inrechnungstellung der 15/10-Gebühr gem. DAV-Abkommen ist jedenfalls kein Verzicht auf Ansprüche zu sehen, die ganz oder teilweise noch nicht geltend gemacht worden waren. Davon konnte auch die Antragsgegnerin bei verständiger Würdigung der Erklärung des früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nicht ausgehen, sollte doch nach dem DAV-Abkommen nur die bisherige Schadensregelung abgeschlossen sein, also die Regelung aller bis dahin geltend gemachten Ansprüche. Dazu gehörte aber nicht der jetzt geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch, der auf einen dauerhaften HWS-Schaden gestützt wird. Denn auf diesen behaupteten Dauerschaden war, wie die Antragsgegnerin auch gar nicht geltend macht, die Schmerzensgeldforderung zum Zeitpunkt der Kostenberechnung noch gar nicht gestützt worden. Das folgt i.Ü. auch aus der Zahlung von 1.050 Euro Schmerzensgeld. Wie auch der Antragsgegnerin natürlich bekannt war, sind bei Vorliegen eines Dauerschadens und auch bei langjährigen Folgen einer HWS-Distorsion erheblich höhere Schmerzensgelder gerechtfertigt. Wollte die Antragsgegnerin auch in dieser Hinsicht Klarheit haben und einen Verzicht der Antragstellerin erreichen, hätte sie mit ihr eine eindeutige Abfindungsvereinbarung schließen müssen, was sie aber nicht getan hat. Dass i.Ü. die Antragsgegnerin selbst davon ausging, weiter gehende Verletzungen als bisher geltend gemacht fielen nicht unter die von ihr angenommene Abfindungsvereinbarung, zeigt die Tatsache, dass sie später eine weitere Zahlung auf das Schmerzensgeld geleistet hat.

III. Mit der bisher gegebenen Begründung kann daher die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens nicht abgelehnt werden, sodass die Sache gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das LG zur nochmaligen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückzuverweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1104222

ZAP 2004, 168

OLGR Düsseldorf 2003, 66

OLGR Frankfurt 2003, 66

OLGR Hamm 2003, 66

OLGR Köln 2003, 66

ZfS 2003, 566

AGS 2003, 468

VRA 2003, 132

KammerForum 2004, 71

NJOZ 2003, 2966

OLGR-BHS 2003, 66

OLGR-CBO 2003, 300

OLGR-CBO 2003, 66

OLGR-KSZ 2003, 66

OLGR-KS 2003, 66

OLGR-MBN 2003, 66

OLGR-NBL 2003, 66

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