Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat teilt die Auffassung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2007, 538, 540), dass das eingeschränkte Recht zur Anfechtung der Vaterschaft das Elternrecht des potentiellen biologischen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht verletzt.

2. Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft durch den potentiellen biologischen Vater sind vor der Einholung eines Abstammungsgutachtens die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen festzustellen.

3. Der potentielle biologische Vater hat im Rahmen seiner Wahrnehmungsmöglichkeiten konkrete Tatsachen dafür vorzutragen, dass zwischen dem rechtlichen Vater und seinem Kind eine sozialfamiliäre Beziehung nicht besteht.

 

Normenkette

BGB § 1600 Abs. 1 Nrn. 4, 2, § 1598a

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Entscheidung vom 23.03.2011; Aktenzeichen 612 F 5376/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 23. März 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Antragsteller hat die den Beteiligten zu 2 und 3 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

III. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

IV. Den Beteiligten zu 3 wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin UnverferthFischer, Hannover, bewilligt.

 

Gründe

1. Die Beteiligten streiten um die Abstammung des Beteiligten zu 2.

Die Beteiligte zu 2 wurde am 7. November 2008 geboren. Der Beteiligte zu 3 hat seine Vaterschaft mit Zustimmung der Beteiligten zu 3 beim Standesamt Hannover am 8. Juli 2010 anerkannt. Die Beteiligten zu 3 haben am 19. August 2010 die Ehe geschlossen, nachdem sie zuvor seit April 2001 zusammen gewohnt hatten und nach einer Trennung im Dezember 2004 seit Oktober 2007 wieder zusammen leben. Vor einigen Jahren haben sie gemeinsam ein Haus gekauft.

Der Antragsteller macht geltend, dass er mit der Beteiligten zu 3 in der gesetzlichen Empfängniszeit eine intime Beziehung gehabt habe und versichert dies an Eides statt. In einer email der Beteiligten zu 3 an den Beteiligten zu 1 schrieb diese am 2. Oktober 2008 u .a.: "Meinst du, so kommst du zu deinem test. Wenn ich es nicht will, geschieht gar nichts. Damit das mal langsam klar ist. Scheiß auf meine Vorsätze, wenn es nicht anders geht werde ich meinem Kind wenn es alt genug ist die Wahrheit sagen und dann soll sie sich selbst mit dir auseinandersetzen, falls die anderen beiden net der Vater sind."

Der Antragsteller hat erstinstanzlich im Erörterungstermin vom 7. März 2011 beantragt festzustellen, dass die Beteiligte zu 2 nicht von dem Beteiligten zu 3 abstammt, sondern der Antragsteller der Vater des Kindes ist, sowie hilfsweise die Beteiligten zu 2 und 3 zu verpflichten, einer Abstammungsuntersuchung zuzustimmen.

Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht diese Anträge u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach der Vermutungsregelung in § 1600 Abs. 4 BGB davon auszugehen sei, dass zwischen dem Beteiligten zu 3 und der Beteiligten zu 2 eine sozialfamiliäre Beziehung bestehe, sodass mangels einer gesetzlichen Prüfungsreihenfolge der Tatbestandsvoraussetzungen keine Veranlassung bestehe, die biologische Abstammung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen aufzuklären. Die vom Antragsteller vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken an der gesetzlichen Regelung hat das Amtsgericht nicht geteilt.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter und beruft sich darauf, dass nur die gelebte sozialfamiliäre Beziehung schützenswert sei. Hiervon sei nach den Aus bzw. Umzügen der Beteiligten zu 3 mit der Beteiligten zu 2 sowie dem Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen nicht auszugehen. Darüber hinaus habe das Amtsgericht weder die email der Beteiligten zu 3 noch die etwa zwei Jahre nach der Geburt der Beteiligten zu 2 erfolgte Heirat hinreichend gewürdigt.

2. Die Beschwerde ist nicht begründet.

Dem Antragsteller steht ein Recht zur Anfechtung der Vaterschaft des Beteiligten zu 3 nicht zu.

Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB kann der potenzielle biologische Vater die bestehende rechtliche Vaterschaft anfechten, wenn er an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht besteht und der Anfechtende der leibliche Vater des Kindes ist.

a) Der Antragsteller hat in der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2010 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung erklärt, dass er in der gesetzlichen Empfängniszeit vom 12. Januar bis zum 10. Mai 2008 der Kindesmutter beigewohnt habe und er davon ausgehe, der leibliche Vater von J. zu sein, zumal ihm eine intime Beziehung der Kindesmutter zu anderen Männern in dieser Zeit nicht bekannt sei.

b) Der Senat kann es vorliegend dahin stehen lassen, ob die Beteiligte zu 3 und der Antragsteller eine intime Beziehung hatten.

Für eine solche - von der Beteiligten z...

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