Leitsatz (amtlich)

Einem zulässigen Antrag des potentiellen biologischen Vaters auf Feststellung seiner Vaterschaft steht die zuvor erfolgte Adoption des Kindes nicht entgegen, da die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft sowie die Adoption unterschiedliche rechtliche Bezugspunkte aufweisen.

Der potentielle biologische Vater kann sein Feststellungsinteresse auf sein Recht auf Kenntnis der Abstammungsverhältnisse (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie auf sein (mögliches) Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG stützen.

Dem betroffenen minderjährigen Kind, das als Untersuchungsperson sein Weigerungsrecht altersabhängig selbst oder über seine (rechtlichen) Eltern ausüben kann, wird gegenüber der erforderlichen genetischen Analyse über das Zwischenstreitverfahren nach §§ 178 Abs. 2 FamFG, 386 Abs. 1, 387 Abs. 1 ZPO Rechtsschutz gewährt.

 

Tenor

I. Der Senat stellt fest, dass die von den Kindeseltern mit Schriftsatz vom 12. Januar 2022 für ihre Tochter erklärte Weigerung, an der Einholung eines Abstammungsgutachtens, wie sie der Senat mit Beschluss vom 8. Dezember 2021 angeordnet hat, mitzuwirken, nicht rechtmäßig ist.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Der Antragsteller (Beteiligter zu 2) begehrt die Feststellung seiner biologischen Vaterschaft zu dem am ... April 2015 geborenen Kind L. (Beteiligte zu 1).

Die Beteiligte zu 3 ist die Mutter der Beteiligten zu 1. In der gesetzlichen Empfängniszeit vom 20. Juni 2014 bis zum 17. Oktober 2014 lebte die Beteiligte zu 3 mit ihrem damaligen Lebensgefährten in A., mit dem sie einen gemeinsamen Sohn, M., geboren am ... Juni 2013, hat (Geburtsurkunde des Standesamts G. [G .../2013]).

Nach der Geburt der Beteiligten zu 1 willigte die Kindesmutter in der notariellen Urkunde vom ... Juni 2015 des Notars K. in S. (Urkundenrolle Nr. .../2015) in die Adoption ihrer Tochter ein. Im Beurkundungstermin gab die Kindesmutter an, dass ihr das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter zustehe und ihr der Kindesvater nicht bekannt sei. Darüber hinaus erklärte sie, dass sie in die Annahme ihres Kindes durch die in der Adoptionsliste des Jugendamtes des Landkreises S. unter Nummer .../2015 geführten Adoptionsbewerber einwillige.

Unter Beachtung des Offenbarungsverbots nach § 1758 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass das Adoptionsverfahren mit Schriftsatz vom 10. März 2019 nebst den erforderlichen Unterlagen eingeleitet wurde. Das Jugendamt des Landkreises (Adoptionsvermittlungsstelle) legte unter dem 11. Mai 2016 seine Stellungnahme vor. Die Kindesmutter erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und die künftigen Annehmenden wurden vom Gericht Ende Juni 2016 angehört, ohne dass nach dem Anhörungsprotokoll die Person des leiblichen Vaters angesprochen wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom ... Juni 2016 (Az. ... Amtsgericht B.) wurde die Annahme des Kindes L. durch die Adoptiveltern mit Regelungen zum Namen des Kindes ausgesprochen. In den Entscheidungsgründen heißt es, dass die leibliche Mutter in die Annahme eingewilligt habe und die Einwilligung des leiblichen Vaters nicht erforderlich sei, weil er und sein Aufenthaltsort dauernd unbekannt seien (§ 1747 Abs. 4 BGB).

Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 hat der Antragsteller beantragt, die notarielle Adoptionsurkunde vom ... Juni 2015 für unwirksam zu erklären und festzustellen, dass er der biologische Vater des betroffenen Kindes sei. Hierzu hat der Antragsteller behauptet, dass er der biologische Vater des Kindes sei, von dessen Geburt er erst Ende 2018 erfahren habe. Zwischen ihm und der Beteiligten zu 3 habe eine "Freundschaft plus" bestanden, nachdem er erst zwei Jahre zuvor nach Deutschland eingereist war. In Kenntnis des Adoptionsverfahrens hätte er einer Adoption niemals zugestimmt.

Das Amtsgericht hat der Kindesmutter und dem Jugendamt S. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und zugleich den Antragsteller mit Verfügung vom 29. Dezember 2020 darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht gegeben sei, die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Adoption nicht schlüssig vorgetragen seien und die Voraussetzungen für eine Abstammungsklärung nach § 1598a BGB fraglich erschienen.

Im Beschluss vom 18. Februar 2021 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser unzulässig sei. Der Antragsteller habe nicht substantiiert dargetan, dass ein Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft vor dem Amtsgericht S. geltend zu machen sei, zumal die Adresse des betroffenen Kindes unbekannt und das Adoptionsverfahren dort nicht geführt worden sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag auf Vaterschaftsfeststellung weiterverfolgt.

Der Senat hat den Antragsteller mit Verfügung vom 8. April 2021 darauf hingewiesen, dass eine erfolgte Adoption nicht notwendigerweise der Feststellung der biologischen Vaterschaft entgegenstehe. Allerdings seien die Voraussetzungen für die Möglichkeit einer biologischen Vaterschaft konkret darzulegen. Darüber hinaus hat...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge