Leitsatz (amtlich)

1. Eine Amtsenthebung des Notars wegen grober wiederholter Verstöße gegen Mitwirkungsverbote nach § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO, § 3 Abs. 1 BeurkG setzt voraus, dass der Notar mehrfach derart schwer gegen Mitwirkungsverbote verstoßen hat, dass größte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit seiner Amtsführung bestehen.

2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO nicht schon dann anzunehmen, wenn dem Notar mehrere „einfache” Verstöße gegen § 3 Abs. 1 BeurkG anzulasten sind, mögen diese auch als vorsätzliche Verletzungen der Vorschrift einzustufen sein; allein die Frage, welche Schuldform dem Notar subjektiv vorzuwerfen ist, kann im Hinblick auf den unbestimmten Rechtsbegriff der „groben wiederholten Verstöße” nicht als entscheidend angesehen werden.

 

Tenor

Der Bescheid des Antragsgegners vom 9.4.2003 – Geschäftszeichen: I H 501-SH 7 –, mit dem der Antragsgegner dem Antragsteller eröffnet hat, dass seine Amtsenthebung gem. § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO in Aussicht zu nehmen ist, wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der in jener Verfügung genannte Grund für eine Amtsenthebung nicht vorliegt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschl. der notwendigen Auslagen des Notars.

Der Wert des Verfahrens wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der am 23.1.1949 geborene Antragsteller ist seit Oktober 1979 als Rechtsanwalt bei dem AG … und dem LG … tätig. Mit Erlass vom 31.7.1984 ist er zum Notar für den Bezirk des OLG … mit dem Amtssitz in … bestellt worden. Er übt seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar allein aus.

I. Gegen den Notar, der über ein vergleichsweise kleines Notariat verfügt – die Anzahl seiner Urkunden hat 1998 261, 1999 262, 2000 153, 2001 172 und 2002 bis zum 12.8.2002 106 betragen – sind während seiner Amtszeit mehrere Disziplinarverfahren geführt worden, in denen Geldbußen gegen den Notar verhängt worden sind.

So ist zunächst durch Disziplinarverfügung vom 31.7.1991 gegen den Notar eine Geldbuße i.H.v. 3.000 DM wegen Verstößen bei der Abwicklung von Verwahrungsgeschäften, insb. Treuhandgeschäften und Unregelmäßigkeiten bei der Führung der Urkundenrolle sowie der Urkundensammlung verhängt worden.

Mit Disziplinarverfügung vom 13.3.1995 (…) ist weiter eine Geldbuße i.H.v. 700 DM wegen der nicht wortgetreuen Ausführung von Hinterlegungsanweisungen bzw. Treuhandaufträgen, Verstößen gegen die Pflicht zur unverzüglichen Auszahlung von Beträgen, die Entgegennahme unvollständiger Hinterlegungsanweisungen und die fehlende Klarstellung nicht eindeutiger Treuhandaufträge verhängt worden.

Eine weitere Geldbuße i.H.v. 500 DM hat das LG … – Der Präsident – mit Disziplinarverfügung vom 25.6.1999 (…) dem Notar auferlegt, weil er in einer Familiensache eine Scheidungsfolgenvereinbarung beurkundet hatte, obwohl er zuvor für die geschiedene Ehefrau als Anwalt tätig gewesen war und einen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge für ein gemeinsames Kind und auf Erlass einer vorläufigen Anordnung gestellt hatte.

Durch eine weitere Disziplinarverfügung des Präsidenten des LG … vom 13.6.2000 (…) ist der Notar schließlich wegen der Verletzung von Mitteilungspflichten, der Nichtablehnung einer Beurkundung, bei der der Verdacht bestand, dass mit der Urkunde unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt würden, sowie mehrerer Treuhandverstößen mit einer Geldbuße i.H.v. 4.500 DM belegt worden.

II. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Vorwurf, der Notar habe wiederholt grob gegen Mitwirkungsverbote gem. § 3 Abs. 1 BeurkG verstoßen. Der Notar sei deshalb nach § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO seines Amtes zu entheben. Grundlage der Verfügung des Antragsgegners vom 9.4.2003, mit der dem Notar gem. § 50 Abs. 3 S. 3 2. Halbs. BNotO eröffnet worden ist, dass der Antragsgegner seine Amtsenthebung in Aussicht genommen hat (hinsichtlich der Einzelheiten dieser Verfügung wird auf Bl. 43 – 47 der beigezogenen Akten … – Bezug genommen), sind insgesamt fünf Fälle, in denen der Notar die mit der Neufassung des Beurkundungsgesetzes geänderten Mitwirkungsverbote nicht beachtet haben soll.

1. So hat der Antragsgegner dem Antragsteller zunächst einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG angelastet, weil der Antragsteller am 18.11.1998 eine Tilgungsvereinbarung zwischen der … GmbH und der … GmbH über einen Betrag von 594.497,30 DM beurkundet habe, obwohl er zuvor bereits als Rechtsanwalt der … GmbH den Erlass eines Mahnbescheids über 24.638,40 DM gegen die Schuldnerin beantragt habe, wobei dieser Teilbetrag in dem Gesamtbetrag, den die Schuldnerin notariell anerkannt habe, enthalten gewesen sei. Aufgrund dieses Verhaltens sei dem Antragsteller ein zumindest grob fahrlässiger Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot des § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG anzulasten; die Einlassung, sich erst anlässlich dieser Beurkundung mit der Neufassung des § 3 BeurkG vertraut gemacht zu haben, könne den Notar ebenso wenig entlasten, wie auch der Hinweis in der Urkunde, dass beide Urkundsbeteiligten...

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