Leitsatz (amtlich)
Die Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt wird und durch die die Massekostenarmut beseitigt werden könnte, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO im Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeantrags zu berücksichtigen, wenn für ihre erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eine gem. § 114 ZPO hinreichende Aussicht besteht.
Normenkette
ZPO § 116; InsO § 207
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 04.11.2009; Aktenzeichen 1 O 153/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Hannover vom 4.11.2009 aufgehoben und die Sache zur Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung an das LG Hannover zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss ist gem. § 127 Abs. 2 ZPO i.V.m. den §§ 567 ff. ZPO zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I. Entgegen der Auffassung des LG ist der Antragsteller nicht in der Lage, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
1. Der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits geschäftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (§ 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung ist nicht bereits dann mutwillig i.S.v. § 114 Abs. 1 ZPO, wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, da dies nur Auswirkungen auf die Verteilung der vorhandenen Masse, nicht jedoch auf seinen Aufgabenkreis hat. Der Insolvenzverwalter bleibt vielmehr verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO).
2. Stellt sich hingegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Insolvenzmasse nicht einmal ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, hat das Insolvenzgericht das Verfahren einzustellen, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden (§ 207 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen. Bis zur Einstellung des Insolvenzverfahrens bleibt er zwar zur Verwaltung der Insolvenzmasse berechtigt und verpflichtet (§ 80 Abs. 1 InsO); er mag auch noch befugt sein, nahe liegende Verwertungsmöglichkeiten zu nutzen, wenn die Masse dadurch nicht mit zusätzlichen Kosten belastet und die Verfahrenseinstellung nicht verzögert wird.
3. Vor diesem Hintergrund kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines Anspruchs regelmäßig nicht in Betracht, wenn dieser nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben (BGH; v. 16.7.2009 - IX ZB 221/08, NJW-RR 2009, 1346 f.). So liegt der Fall vorliegend indes nicht. Ausweislich der Erklärung des Antragstellers beträgt die freie Insolvenzmasse ohne den dem Prozesskostenhilfeverfahren zugrunde liegenden Anspruch zwar lediglich 42,26 EUR, während sich die noch nicht gezahlten Massekosten gem. § 54 InsO derzeit auf 1.954,05 EUR (175 EUR Gerichtskosten; 1.779,05 EUR Verwaltervergütung) belaufen. Unter Berücksichtigung der Ansprüche, für die vorliegend Prozesskostenhilfe begehrt wird, erhöht sich die Insolvenzmasse aber auf 9.162,70 EUR, der dann erhöhte Verfahrenskosten von 5.262,22 EUR gegenüberstünden.
a) Entgegen der Auffassung des LG ist die Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt wird und durch die die Massekostenarmut beseitigt werden könnte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen. Denn zur voraussichtlichen Aktivmasse im Rahmen der Kostendeckungsprüfung nach § 207 Abs. 1 InsO sind auch bestrittene Ansprüche zu zählen, wenn für ihre erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eine gem. § 114 ZPO hinreichende Aussicht besteht und die erforderlichen Prozesskosten entweder aus eigenen Mitteln oder durch Gewährung von Prozesskostenhilfe aufgebracht werden können (MünchKommInso/Hefermehl 2. Aufl., § 207 Rz. 22). Das entspricht auch der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 460/02, NZI 2004, 26 f., vom 28.2.2008 - IX ZB 147/07, NZI 2008, 431; v. 16.7.2009 - IX ZB 221/08, NJW-RR 2009, 1346 f.). Dieser hat in seinem Beschluss vom 16.7.2009 (IX ZB 221/08, a.a.O.) lediglich ausgeführt, dass der Insolvenzverwalter regelmäßig keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs habe, der nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben (BGH, a.a.O., Tz. 4). Diese Feststellung setzt aber gerade voraus, dass der aus der beabsichtigten Rechtsverfolgung - ihre hinreichende Erfolgaussicht unterstellt - zu erzielende Erlös bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207...