Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Inanspruchnahme eines vermögenden Streitgenossen für Gerichtskosten bei PKH-Bewilligung für einen anderen Streitgenossen
Leitsatz (amtlich)
Mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 122 ZPO kann der vermögende Streitgenosse wegen der Gerichtskosten von der Landeskasse nur mit dem Anteil in Anspruch genommen werden, den er auch im Innenverhältnis gegenüber der bedürftigen Partei zu tragen hat
Normenkette
ZPO § 122; GKG § 31
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 13.11.2012; Aktenzeichen 9 O 231/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers vom 6.12.2012 werden der die Erinnerung des Klägers zurückweisende Beschluss der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 13.11.2012 und die Zweitschuldnerkostenrechnung der Kostenbeamtin der 9. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 20.6.2012 - A 711 J/Z - aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gem. § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Das als zulässiges Rechtsmittel bezeichnete Schreiben des Klägers vom
6.12.2012 war als Beschwerde i.S.v. § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG auszulegen.
2. Die Beschwerde ist begründet. Voraussetzung für eine Zweitschuldnerhaftung nach § 31 Abs. 2 S. 1 GKG ist eine ordnungsgemäße Erstschuldnerkostenrechnung. Daran fehlt es vorliegend bereits, weil der Beklagte zu 2 von der Landeskasse nur auf die Hälfte des von dem Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 geschuldeten Betrages hätte in Anspruch genommen werden können, also in Anbetracht der im Schlussurteil des LG vom 25.10.2011 angeordneten Kostenaufhebung auf ein Viertel der gesamten Gerichtskosten.
a) Wegen der Gerichtskosten kann der vermögende Streitgenosse von der Landeskasse nämlich nur mit dem Anteil in Anspruch genommen werden, den er auch im Innenverhältnis gegenüber der bedürftigen Partei zu tragen hat (vgl. Motzer in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 122 Rz. 3). Bei Gesamtschuldnern haftet im Innenverhältnis jeder im Zweifel nur für die Hälfte (§ 426 Abs. 1 BGB). Die Inanspruchnahme des Beklagten zu 2 auf den vollen geschuldeten Betrag würde es dagegen dem Kläger als Zweitkostenschuldner ermöglichen, den Beklagten zu 1 im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch zu nehmen. Das würde den Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe konterkarieren, weil der Beklagte zu 1 im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB mittelbar mit Kosten belastet werden würde, von dessen Zahlung er nach § 122 ZPO gerade befreit ist (vgl. MünchKomm/ZPO, a.a.O.).
b) Daher ist, soweit dem Beklagten zu 1 Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG anzuwenden (vgl. zu § 5 KostO Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 5 Rz. 2 ff., zitiert nach beck-online; Waldner in Rohs/Wedewer, KostO, Loseblattsammlung, Stand: April 2010, § 5 KostO und OLG Dresden, Beschl. v. 11.10.2012 - 23 WF 124/12, Rz. 40). § 31 Abs. 3 Satz 1 soll gerade verhindern, dass derjenige, dem Prozesskostenhilfe bewilligt ist, über den Gesamtschuldnerausgleich doch die Kosten des Verfahrens tragen muss (Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 31 GKG Rz. 17).
In Übereinstimmung mit dem OLG Dresden (a.a.O.) lehnt der Senat die Gegenauffassung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 2.4.2009 - 10 W 23/09) ab, dass § 31 Abs. 3 GKG nicht für mehrere Erstschuldner untereinander gelte, sondern nur im Verhältnis von Erstschuldner zu Zweitschuldner. Die vom OLG Düsseldorf vorgenommene Einschränkung lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Dieser spricht lediglich von einem Kostenschuldner und der Haftung eines anderen Kostenschuldners. Eine Einschränkung dahingehend, dass der andere Kostenschuldner ein Zweitschuldner sein muss, folgt daraus nicht (vgl. MüKo, a.a.O.).
Weiterhin würde eine einschränkende Auslegung auch dem Grundgedanken der Entscheidung des BVerfG vom 23.6.1999 (BVerfG NJW 1999, 3186) widersprechen, welche zur Einführung des § 31 Abs. 3 GKG führte. Danach soll die Partei, welcher Prozesskostenhilfe gewährt wurde, vor einer unter Umgehung des § 122 ZPO im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs erfolgenden mittelbaren Inanspruchnahme geschützt werden. Dieses Schutzbedürfnis besteht jedoch unabhängig davon, ob der Zweitschuldner oder der Erstschuldner im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs gegen die Partei vorgeht, welcher Prozesskostenhilfe gewährt wurde.
3. Daher war die auf einer fehlerhaften Erstschuldnerrechnung beruhende streitgegenständliche Zweitschuldnerrechnung aufzuheben.
Es bleibt der Landeskasse unbenommen, auf Grund einer unter Beachtung der obigen Ausführungen zu erstellenden neuen Zweitschuldnerrechnung den Kläger erneut gem. § 31 Abs. 2 GKG in Anspruch zu nehmen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 3590762 |
MDR 2013, 495 |
AGS 2013, 130 |