Leitsatz (amtlich)
1. Ein anderer Kostenschuldner als der Entscheidungsschuldner darf von der Landes- oder Bundeskasse erst dann für die Gerichtskosten in Anspruch genommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 1 GKG hinsichtlich sämtlicher Entscheidungsschuldner vorliegen.
2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Entscheidungsschuldner führt nicht dazu, dass die Landeskasse nunmehr einen anderen Kostenschuldner als einen Entscheidungsschuldner für die Gerichtskosten in Anspruch nehmen darf. Vielmehr hat die Landeskasse selbst an Stelle dieses Entscheidungschuldners für die Gerichtskosten einzutreten, einschließlich der Verpflichtung zur Rückzahlung von Gerichtskostenvorschüssen anderer Kostenschuldner.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 30.06.2010; Aktenzeichen 3 T 308/10) |
AG Haldensleben (Aktenzeichen 17 C 588/08) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 30.6.2010 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
A. Die Klägerin hat als Vermieterin einer Wohnung im Mehrfamilienhaus L. Weg 9 einen Räumungsprozess gegen die Beklagten als Mieter dieser Wohnung geführt. Hierfür hat sie einen Gerichtskostenvorschuss i.H.v. 291 EUR an die Landeskasse geleistet. Der Beklagten zu 2) ist mit Beschluss des AG Haldensleben vom 6.4.2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt worden.
Mit seinem am 1.10.2009 verkündeten Urteil hat das AG Haldensleben der Klage stattgegeben, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung verurteilt und ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Mit Kostenrechnung vom 9.11.2009 hat das AG Haldensleben die Gebühren und Auslagen des Gerichts auf insgesamt 219 EUR festgesetzt, diese Kosten mit dem Kostenvorschuss der Klägerin verrechnet und im Ergebnis eine Auszahlung verbleibender Überschüsse i.H.v. 72 EUR an die Klägerin angeordnet. Diese Auszahlungsanordnung ist vollzogen worden.
Die Klägerin hat gegen die Kostenrechnung vom 9.11.2009 am 24.11.2009 Erinnerung eingelegt und die Rückerstattung weiterer 219 EUR begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die der Beklagten zu 2) bewilligte Prozesskostenhilfe auch zur Deckung der Gebühren und Auslagen des Gerichts heranzuziehen sei. Dieser Rechtsansicht ist die Landeskasse entgegen getreten und hat sich darauf berufen, dass nach erfolgloser Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) als Erstkostenschuldner nunmehr unmittelbar die Klägerin als Zweitkostenschuldnerin in Anspruch genommen werden dürfe.
Das AG Haldensleben hat die Erinnerung der Klägerin mit Beschluss vom 6.5.2010 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 20.5.2010 Beschwerde eingelegt. Mit seinem Beschluss vom 30.6.2010 hat das LG Magdeburg die angefochtene Entscheidung abgeändert und den Kostenansatz vom 9.11.2009 aufgehoben. Es hat angeordnet, dass der Klägerin weitere 219 EUR auszuzahlen seien. Zugleich hat es die weitere Beschwerde zugelassen.
Am 3.8.2010 hat die Landeskasse gegen den Beschluss des LG Magdeburg weitere Beschwerde eingelegt. Das LG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Naumburg zur Entscheidung vorgelegt. Alle Verfahrensbeteiligten hatten im Verfahren der weiteren Beschwerde Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme. Hiervon hat die Landeskasse Gebrauch gemacht.
B. Die weitere Beschwerde der Landeskasse ist nach § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zulässig; der Senat ist an die Zulassung des Rechtsmittels durch das Beschwerdegericht nach § 66 Abs. 4 S. 4 i.V.m. Abs. 3 S. 4 gebunden. Die weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung des LG beruht nicht auf einer Rechtsverletzung.
Das LG hat zu Recht darauf erkannt, dass die Inanspruchnahme der Klägerin für die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits nicht gerechtfertigt ist.
Die Klägerin ist allerdings Kostenschuldnerin nach § 22 Abs. 1 S. 1 GKG, weil sie den Rechtsstreit durch Klageerhebung eingeleitet hat. Weitere Kostenschuldner sind die Beklagten nach § 29 Nr. 1 GKG, und zwar wegen ihrer Verurteilung in der Hauptsache auch hinsichtlich der Kosten als Gesamtschuldner (§ 100 Abs. 4 S. 1 ZPO). Für den Fall der
Existenz mehrerer Kostenschuldner, wie hier, ist in § 31 Abs. 2 S. 1 GKG ausdrücklich geregelt, dass Kostenschuldner nach § 29 Nr. 1 GKG, wie hier beide Beklagte (sog. Entscheidungsschuldner), vorrangig in Anspruch zu nehmen sind, d.h. dass ein anderer Kostenschuldner als der Entscheidungsschuldner erst nachrangig, also an zweiter Stelle nach erfolgloser oder aussichtsloser Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Entscheidungsschuldners, herangezogen werden darf.
Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass diese gesetzlich angeordnete Rangfolge dazu führt, dass vor einer berechtigten Inanspruchnahme eines Kosten-Zweit-schuldners die genannten Voraussetzungen für alle Kosten-Erstschuldner vorliegen m...