Leitsatz (amtlich)
Übereignet der nicht befreite Vorerbe in Erfüllung eines angeordneten fälligen Vermächtnisses ein Nachlassgrundstück an den Vermächtnisnehmer, ist hierzu die Zustimmung des Nacherben nicht erforderlich. Als Nachweis des Vermächtnisses ggü. dem Grundbuchamt können beigezogene Nachlassakten oder eine zu den Grundakten gereichte beglaubigte Abschrift auch eines privatschriftlichen Testaments mit Eröffnungsprotokoll genügen.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 10.06.2004; Aktenzeichen 5 T 220/04 und 5 T 221/04) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 10.6.2004 aufgehoben.
Das AG - Grundbuchamt - Hildesheim wird angewiesen, über den Antrag der Antragstellerinnen vom 23.2.2004 erneut zu entscheiden und dabei von den in den Verfügungen vom 22.3. und 3.5.2004 i.V.m. dem Nichtabhilfebeschluss vom 2.6.2004 erhobenen Bedenken abzusehen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
Die gem. § 78 S. 1 GBO zulässige weitere Beschwerde hat in dem aus dem Tenor dieses Senatsbeschlusses ersichtlichen Umfang Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Rechtspflegers und - ihm folgend - des LG steht der Bewilligung der beantragten Eintragung im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Antragstellerinnen nicht in Form öffentlicher Urkunden nachgewiesen haben, dass die Antragstellerin zu 2) befreite Vorerbin ist bzw. die Auflassung des Grundstücks nur in Erfüllung eines Vermächtnisses des Erblassers vornimmt. Denn im vorliegenden Fall ist die vom AG - Nachlassgericht - H. zu den Grundakten gereichte beglaubigte Fotokopie des privatschriftlichen Testaments des Erblassers vom 23.5.1993 nebst Eröffnungsprotokoll vom 13.5.2003 als ausreichender Nachweis anzusehen.
1. Allerdings ist auch heute noch in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob die Befreiung des Vorerben stets im Sinne der §§ 51, 29 GBO durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden muss und ob insb. auch bei Erfüllung von privatschriftlich angeordneten Vermächtnissen stets ein Erbschein notwendig ist, aus dem die angeordnete Befreiung ersichtlich ist. Dieser strenge Standpunkt ist allerdings vor allem in früherer Zeit überwiegend vertreten worden und wird teilweise vor allem im Schrifttum auch heute noch befürwortet (BayObLG Rpfleger 1974, 355; Rpfleger 1977, 285; OLG Hamm v. 16.1.1984 - 15 W 3/84, Rpfleger 1984, 312; Meikel/Kraiß, Grundbuchrecht, 9. Aufl. 2004, § 51 GBO Rz. 53). Demgegenüber wird vor allem in der neueren Rechtsprechung und im Schrifttum die wohl im Vordringen befindliche Auffassung vertreten, dass der entsprechende Nachweis bei einem privatschriftlichen Testament auch durch Einsichtnahme in etwa beigezogene Nachlassakten oder durch beglaubigte Abschrift des privatschriftlichen Testaments nebst Eröffnungsniederschrift geführt werden kann (Deimann, Rpfleger 1978, 244; OLG Hamm v. 21.5.1996 - 15 W 109/96, OLGReport Hamm 1996, 196 = NJW-RR 1996, 1230; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. 2004, Rz. 3520; Demharter, Grundbuchordnung, 24. Aufl. 2002, § 51 GBO Rz. 34; OLG Düsseldorf DNotZ 2003, 637; offen gelassen v. BayObLG DNotZ 2001, 808).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Wie schon Deimann (Deimann, Rpfleger 1978, 244) hervorgehoben hat, entspricht es praktischen Bedürfnissen und auch den für den Nachweis eines Vermächtnisses bei Testamentsvollstreckungen entwickelten Grundsätzen (Schöner/Stöber, Rz. 3439), auch die privatschriftliche Erklärung eines Erblassers, die zweifelsfrei die Pflichtmäßigkeit der Handlungen der Vorerben ergibt, grundsätzlich zum Nachweis der Erfüllung eines Vermächtnisses des Erblassers durch den Vorerben als ausreichenden Nachweis anzusehen, wobei materiellrechtlich ohnehin vorherrschende, wenn nicht heute gar einhellige Meinung ist, dass eine Zustimmung des Nacherben bei Verfügungen, die zur Erfüllung von Vermächtnissen des Erblassers dienen, der Zustimmung des Nacherben nicht bedürfen, weil sie ihn in seinen Rechten nicht beeinträchtigen können (Harder/Wegmann in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2003, § 2113 BGB Rz. 14; Avenarius in Staudinger, BGB, Neubearb. 2003, § 2113 BGB Rz. 53). Es kommt hinzu, dass - vor allem bei mehreren und evtl. von der Person her noch unbekannten Nacherben - deren Zustimmung praktisch nicht zu erlangen sein wird, was ebenfalls zu einer Erschwerung des Grundbuchverfahren führen und den Erfordernissen des Rechtsverkehrs nicht gerecht werden würde. Den Nachweis über eine Befreiung der Vorerbschaft durch einen Erbschein wird der Vorerbe im Übrigen in der Regel tatsächlich auch nicht führen können, weil im Erbschein nur die Erbfolge ausgewiesen wird, wie es auch vorstehend der Fall ist.
Mit dem OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf DNotZ 2003, 637) vertritt der Senat deshalb die Auffassung, dass jedenfalls dann, wenn das privatschriftliche Testament bereits einen fälligen Vermächtnisanspruch des Vermächtnisnehmers ergibt und sich dies entweder aus den beigezogenen Nachlassakten oder der vo...