Leitsatz (amtlich)

Zum Gegenstand der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Art und Weise des Vollzuges einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO gehört auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Benachrichtigung, insbesondere auch die Frage der Rechtzeitigkeit der Benachrichtigung.

 

Normenkette

GG Art. 10; StPO §§ 46, 101, 98, 98 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 22.11.2011; Aktenzeichen 4 AR 23/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Verden vom 22. November 2011 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Drittbetroffenen im Beschwerdeverfahren werden der Landeskasse auferlegt.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stade richtet sich gegen Ziffer 3. des angefochtenen Beschlusses, soweit die 4. große Strafkammer des Landgerichts Verden festgestellt hat, dass die Art und Weise des Vollzuges zweier Beschlüsse des Landgerichts Verden zur Überwachung der Telekommunikation des Drittbetroffenen rechtswidrig gewesen seien, da die Benachrichtigung des Drittbetroffenen nicht rechtzeitig erfolgt sei, und die daraus resultierende Kostenfolge unter Ziff. 4 des Beschlusses.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

In dem zugrunde liegenden Strafverfahren gegen M. B., den Sohn des Drittbetroffenen, hatte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 29.04.2010 ein freisprechendes Urteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Stade aufgehoben. Gegenstand dieses Verfahrens war ein Mord zum Nachteil der S. A. im Jahr 1987. Der Senat verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Verden, das daraufhin am 30.04.2010 Haftbefehl gegen den Angeklagten M. B. erließ. Nachdem dieser im Wege der Zielfahndung in der Bundesrepublik Deutschland nicht ermittelt werden konnte, ordnete die 4. große Strafkammer des Landgerichts Verden am 25.05.2010 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stade gemäß §§ 100 a, 100 b StPO die Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs des Vaters des Angeklagten, des hiesigen Drittbetroffenen, für drei Monate an. Am selben Tage und unter demselben Aktenzeichen wurde auch die Überwachung der Telekommunikation des Bruders des Angeklagten, M. B., angeordnet. Am 13.08.2010 ordnete die 4. große Strafkammer des Landgerichts Verden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stade auch die Überwachung des E Mail Verkehrs des Drittbetroffenen gemäß §§ 100 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 h, Abs. 3, 100 b, 100 g StPO für drei Monate an. Am 21.08.2010 wurde der Angeklagte M. B. in Venezuela festgenommen. Die Überstellung nach Deutschland erfolgte am 16.09.2010. Am 22.09.2010 bat die zuständige Staatsanwältin die ZKI Lüneburg um Übersendung des Vorgangs "Zielfahndung", um "kurzfristig die Benachrichtigung" vornehmen zu können. Am 01.10.2010 vermerkte die Staatsanwältin, dass es für die TÜ Benachrichtigungen noch an der von der ZKI angekündigten Teilnehmerliste der Telefongespräche fehle. Am 05.10.2010 vermerkte die Staatsanwältin, dass an der Übersichtsliste der Telekommunikationsteilnehmer noch gearbeitet werde, diese werde jedoch so schnell wie möglich an die StA übersandt. Zur Wiedervorlage vermerkte die Staatsanwältin eine Frist von drei Tagen nebst Klammerzusatz "(TÜ Liste?)". Sodann lässt sich eine weitere Bearbeitung des Vorgangs im Hinblick auf die Benachrichtigung der überwachten Teilnehmer nicht mehr nachvollziehen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu ausgeführt, dass mutmaßlich ein Wechsel des Sachbearbeiters stattfand, da nunmehr unter dem 28.04.2011 von einem anderen Staatsanwalt die schriftliche Benachrichtigung der Betroffenen, u. a. R. und M. B., verfügt wurde. Diese Benachrichtigungen enthielten jeweils den Hinweis, dass der Betroffene binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise des Vollzugs beim Amtsgericht Stade beantragen könne. Diese Schreiben wurden mit normaler Briefpost am 04.05.2011 abgesandt. Am 20.05.2011 ging beim Amtsgericht Stade ein "Einspruch" des Drittbetroffenen R. B. gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie die Art und Weise des Vollzuges der Telekommunikationsüberwachung ein. Am gleichen Tage erfolgte auch ein Einspruch des Drittbetroffenen M. B. Mit Beschlüssen vom 01.07.2011 (Aktenzeichen 34 Gs 1390/11 und 1391/11) stellte das Amtsgericht Stade auf die Anträge der Drittbetroffenen fest, dass die Anordnungen der Überwachung des Telekommunikations und E Mail Verkehrs der Betroffenen rechtmäßig waren. Die Art und Weise des Vollzugs wurde jedoch für rechtswidrig erklärt, soweit die Betroffenen nicht rechtzeitig von den Strafverfolgungsbehörden informiert worden seien. Im Übrigen wurde auch die Art und Weise des Vollzuges für rechtmäßig erklärt. Zur Begründung verwies das Amtsgericht Stade darauf, dass die Benachrichtig...

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