Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine erneute Festsetzung aufgrund Unterhaltsvorschussleistungen übergegangener Ansprüche im Vereinfachten Verfahren nach zwischenzeitlich aufgrund Ausschöpfung der bis 2017 geltenden Leistungshöchstdauer weggefallenem Anspruchsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Unterhaltsvorschuss gewährende Land vor 2017 bereits eine Festsetzung des übergegangenen Unterhalts gegen den nichtbetreuenden Elternteil erreicht, aus der es nach damaliger Rechtslage wegen Ausschöpfung der Höchstdauer von 72 Monaten (oder wegen Erreichens des seinerzeit maßgeblichen Höchstalter des Kindes) selbst keine Rechte mehr herleiten konnte und nimmt es nach der 2017 geänderten Rechtslage, die derartige Einschränkungen für die Leistung von Unterhaltsvorschuss nicht mehr enthält, seine Leistungen wieder auf, so steht einer erneuten Titulierung im Wege des sog. Vereinfachten Verfahrens gemäß § 249 Abs. 2 FamFG der Alttitel durchgreifend entgegen, weil dieser nach Ausschöpfung der seinerzeitigen Voraussetzungen für eine Unterhaltsvorschussgewährung analog § 727 ZPO auf das unterhaltsberechtigte Kind umgeschrieben werden kann (BGHZ 207, 15 ff. Leitsatz und Tz. 11) und insofern unverändert einen zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel über den Unterhaltsanspruch des Kindes darstellt.

 

Normenkette

FamFG § 249 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Aktenzeichen 618 FH 8400/19)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 22. Juli 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das durch das örtliche Jugendamt vertretene Land Niedersachsen (im Weiteren: der Antragsteller) erbrachte seit 2011 für die am 2005 bzw. 2003 geborenen minderjährigen und im Haushalt ihrer Mutter lebenden Kinder des Antragsgegners S. und S. R. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, was den Übergang der Unterhaltsansprüche auf den Antragsteller zur Folge hat. Der Antragsteller erwirkte deswegen im eigenen Namen jeweils unter dem 24. Oktober 2011 ergangene Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse hinsichtlich des Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergeldes, wobei die Festsetzung unter der Bedingung tatsächlicher Leistungserbringung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz längstens bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres des jeweiligen Kindes und insgesamt für höchstens 72 Monate erfolgte.

Nachdem weitere Unterhaltsvorschussansprüche beider Kinder entsprechend der damaligen Rechtlage wegen Erreichens der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten entfallen waren, leistet der Antragsteller nach zwischenzeitlicher Rechtsänderung für die Zeit seit Juli 2017 für beide Kinder erneut Unterhaltsvorschuss. Der Antragsteller hat mit am 29. Oktober 2019 beim Amtsgericht eingereichten Anträgen die erneute Unterhaltsfestsetzung für sich hinsichtlich der seit Juli 2017 aufgelaufenen Rückstände sowie des zukünftigen Unterhalts in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergeldes beantragt.

Das Amtsgericht hat den Antragsteller auf bestehende Bedenken gegen die Zulässigkeit des sog. Vereinfachten Verfahrens hingewiesen und - nachdem der Antragsteller dem inhaltlich entgegengetreten war und an seinen Anträgen festhielt, mit Beschluss vom 22. Juli 2020 die Anträge als im sog. Vereinfachten Verfahren unstatthaft zurückgewiesen.

Es hat dabei - unter Bezugnahme auf verschiedene gerichtliche Entscheidungen sowie Fundstellen des Schrifttums - darauf abgestellt, dass gemäß § 249 Abs. 2 FamFG das sog. Vereinfachte Verfahren nicht stattfindet, wenn zum Zeitpunkt der Zustellung des Antrages an den Antragsgegner über den Unterhaltsanspruch des Kindes ein Gericht entschieden hat, ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Schuldtitel errichtet worden ist, mithin das sog. Vereinfachte Verfahren allein für die erstmalige Festsetzung des Unterhalts in Frage komme. Das stark schematisierte und auf einen schnellen Abschluss gerichtete besondere Verfahren der Unterhaltsfestsetzung sowie der dadurch dort engbegrenzte Prüfungsumfang ließe es insbesondere nicht zu, dort inzidenter über die etwaige Fortgeltung eines früheren Titels zu befinden.

Gegen diese ihm am 24. Juli 2020 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 17. August 2020 beim Amtsgericht eingelegte und sogleich abschließend begründete Beschwerde des Antragstellers, der an seinem Ziel der Unterhaltsfestsetzung im sog. Vereinfachten Verfahren festhält und das Vorliegen der als solches nicht in Zweifel gezogenen Ausschlussvoraussetzungen unter den Umständen des Streitfalles für nicht gegeben hält.

II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers kann in der Sache keinen Erfolg haben. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass unter den Umständen des Streitfalles im Hinblick auf die bereits 2012 erfolgte Titulierung des Kindesunterhalts eine erneute Unterhaltsfestsetzung im sog. Vereinfachten Verfahren nicht eröffnet ist.

Dabei geht auch der Antragsteller zutreffenderweise davon aus, dass das so...

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