Leitsatz (amtlich)
Wird ein großes Versicherungsunternehmen von ihrem Versicherungsnehmer nicht an ihrem Geschäftsort (F.), sondern an einem anderen LG (Lüneburg) auf Zahlung in Anspruch genommen, sind Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig, wenn das Versicherungsunternehmen einen fingierten Schadensfall vermutet, die Angelegenheit deshalb eine Spezialabteilung bearbeitet hat und die schriftliche Information eines beim Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts ausreichend und zumutbar war.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 23.07.2008; Aktenzeichen 5 O 381/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 31.7.2008 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 23.7.2008 geändert.
Die aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des LG Lüneburg vom 12.6.2008 von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 2.103,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 23.6.2008 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte nach einem Beschwerdewert von 1.403,34 EUR.
Gründe
I. Der Kläger nahm die Beklagte, eine große deutsche Versicherung mit Sitz in F., vor dem LG Lüneburg auf Zahlung mit der Begründung in Anspruch, die Beklagte habe als Kaskoversicherer dafür aufzukommen, dass in S. der von ihm versicherte Pkw aufgebrochen und hieraus Gegenstände entwendet worden seien. Die Beklagte hatte einen nur vorgetäuschten Diebstahl vermutet und ließ deshalb die Schadensakte von die hierfür zuständigen Spezialabteilung in ihrem Hause bearbeiten. Nach gerichtlicher Inanspruchnahme beauftragte sie mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Rechtsstreit einen in W. ansässigen Rechtsanwalt. Dieser nahm im Rechtsstreit drei Termine vor dem LG wahr. Das LG wies die Klage ab und legte dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auf. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Unter dem 20.6.2008 hat die Beklagte Kostenfestsetzung beantragt. Hierbei hat der Beklagtenvertreter für jeden Termin beim LG Reisekosten, Abwesenheitsgelder sowie hinsichtlich eines Termins Übernachtungskosten i.H.v. zusammen 1.403,34 EUR geltend gemacht. Der Kläger hat eingewendet, die Beklagte sei eine über ganz Deutschland verteilte große Versicherung. Ihr sei es zumutbar und möglich gewesen, einen am Sitz des Gerichts ansässigen Anwalt schriftlich bzw. ggf. fernmündlich zu informieren. Fahrtkosten, Abwesenheitsgelder und Übernachtungskosten seien daher nicht erstattungsfähig. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, über keine Rechtsabteilung zu verfügen, die Schadensfälle bearbeite. Es habe sich um einen Fall gehandelt, bei dem eine Reihe von Indizien dafür gesprochen hätten, dass der behauptete Schadensfall lediglich fingiert gewesen sei. Aus diesem Grund sei eine Spezialabteilung mit der Regulierung betraut gewesen. Mit dieser seien aufgrund der Komplexibilität zahlreiche persönliche Besprechungen nebst Aktenstudien notwendig gewesen.
Mit Beschluss vom 23.7.2008 hat das LG die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 3.507,12 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Es hat gemeint, die Reisekosten, Abwesenheitsgelder und die Übernachtungskosten seien in vollem Umfang erstattungsfähig, da sie die fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwaltes mit Kanzleisitz am Geschäftsort der Beklagten nicht übersteigen würden. Die Beklagte verfüge auch nicht über eine eigene Rechtsabteilung, die mit der Sachbearbeitung betraut sei. Sie sei deshalb grundsätzlich nicht zu ausschließlich schriftlicher und telefonischer Informationserteilung in der Lage. Deshalb habe die Beklagte auch nicht einen am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt beauftragen müssen.
Gegen diesen dem Kläger am 28.7.2008 zugestellten Beschluss ist mit Schriftsatz vom 31.7.2008, beim LG am 4.8.2008 eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt worden. Mit ihr wird geltend gemacht, die Beklagte führe selber aus, dass eine Spezialabteilung gebildet worden sei. Diese sei ohne weiteres zu schriftlicher oder fernmündlicher Information in der Lage gewesen. Der angefochtene Beschluss erläutere auch nicht, warum eine solche Informationserteilung nicht möglich gewesen sei. Die sog. Spezialabteilung bei der Beklagten habe die Materie aufgearbeitet. Wie es unter diesen Umständen zu zahlreichen persönlichen Besprechungen kommen müsse könne nicht nachvollzogen werden.
Die Beklagte verteidigt die landgerichtliche Entscheidung. Sie trägt vor, eine schriftliche oder telefonische Informationserteilung sei vorliegend nicht möglich gewesen. Eingehende Mandantengespräche hätten sich wegen der komplexen Materie gerade nicht erübrigt; insbesondere sei der Vorgang bei der Beklagten nicht abschließend aufbereitet worden. Der Betrugssachbearbeiter der Beklagten sei kein Jurist. Bevor die Beklagte den massiven Betrugsvorwurf in das gerichtliche Verfahren eingeführt hätte, hätte dies intensiv und unter Abwägung möglicher Konsequenzen aufgearbeitet...