Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, welche rechtlichen Konsequenzen sich ergeben, wenn der Reiseveranstalter den Reisenden zeitlich nach Vertragsschluss und vor Antritt der Reise darauf hinweist, dass in dem gebuchten Hotel während der Dauer der Reise mit Baulärm zu rechnen ist, der Reisende die Reise dennoch antritt und nach Beendigung der Reise gegen den Reiseveranstalter im Hinblick auf den Baulärm Gewährleistungsansprüche geltend macht.
2. Dem beklagten Reiseveranstalter ist ein pauschales Bestreiten von Mängeln, die der klagende Reisende im Verfahren behauptet, nach § 138 Abs. 1 ZPO nicht möglich. Er ist vielmehr gehalten, sich bei seinen (damaligen) Leistungserbringern vor Ort, wie insbesondere seiner Reiseleitung sowie dem Hotelinhaber über die relevanten Vorgänge zu informieren.
Normenkette
BGB a.F. § 651a Abs. 5, § 651c Abs. 1, § 651f Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 1 O 226/18) |
Tenor
I. Die Kläger machen gegen die Beklagte reisevertragliche Gewährleistungsansprüche geltend.
Gründe
Die Kläger buchten bei der Beklagten am 15. Juni 2018 eine 14-tägige Pauschal-Flugreise nach Gran Canaria für den Zeitraum 12. bis 26. August 2018. Vorgesehen war die Unterbringung im Hotel "S. P. B.", zum Preis von 6.688 EUR. Noch vor Reiseantritt erhielten die Kläger ein auf den 28. Juni 2018 datiertes Schreiben der Beklagten (Anlage K2), das auszugsweise folgenden Inhalt hatte:
"... Aus Ihrem Ferienort haben wir die Information erhalten, dass neben dem Hotel S. P. B. Bauarbeiten durchgeführt werden.
Unser Ziel ist es, sie rundum gut zu informieren:
- das Nachbarhotel R. P. wird komplett renoviert.
- bis voraussichtlich 15.08.2018 werden noch Außenarbeiten durchgeführt und dann beginnen die Innenarbeiten.
- gearbeitet wird montags bis samstags von 08:00 Uhr bis 19:00 Uhr und sonntags von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr.
Es ist nicht auszuschließen, dass die unterschiedlichen Arbeiten zeitweise Lärm verursachen. Wir bedauern das sehr und bitten um Entschuldigung.
Als kleinen Ausgleich bietet das S. P. B. allen Gästen, die zwischen dem 14.07. und 15.08.2018 im Hotel sind, einen Betrag in Höhe von 7,50 EUR pro Person und Tag an, der automatisch dem Gästekonto gutgeschrieben wird.
Haben Sie Fragen oder möchten Sie Ihre Buchung gebührenfrei ändern? Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Ihrem Reisebüro F. K. GmbH sind für Sie da.
..."
Die Kläger traten in der Folgezeit die Reise an. Mit der vorliegenden Klage machen sie geltend, dass sich auf dem benachbarten Hotelgelände eine Großbaustelle mit erheblichen Lärmemissionen befunden habe. Gestützt hierauf machen sie eine 50-prozentige Minderung des Reisepreises sowie Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 50 % des Reisepreises geltend, insgesamt 6.688 EUR.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Vortrag der Kläger zu den behaupteten Reisemängeln sei unschlüssig. Namentlich fehle es an Vortrag zu den Tatsachen in Bezug auf Reisemängel, also die tatsächlichen Zustände vor Ort. Diese müssten so konkret vorgetragen werden, dass sich das Gericht selbst aufgrund ausreichender objektiver Anknüpfungstatsachen einen umfassenden Eindruck von den behaupteten Reisemängeln machen könne, um beurteilen zu können, ob ein minderungsrelevanter Mangel oder lediglich eine Unannehmlichkeit vorlag. Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgen.
II. Der Senat weist darauf hin, dass nach seinem derzeitigen Beratungsstand die Berufung hinsichtlich der Berufungsanträge zu Ziffern 1 bis 3 Erfolg haben wird (ggf. allerdings nicht in Höhe eines Teilbetrages i. H. v. 210 EUR, vgl. nachfolgend Ziffer 2 f), nicht hingegen in Bezug auf den Berufungsantrag zu Ziff. 4.
1. Die Kläger haben die streitgegenständliche Reise am 15. Juni 2018 gebucht. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien finden demgemäß noch die Vorschriften des Reisevertragsrechts in der bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung Anwendung, Art. 229 § 42 EGBGB (nachfolgend: BGB a. F.).
2. Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts besteht der mit der Klage verfolgte Minderungsanspruch in der geltend gemachten Höhe.
a) Wird der Reisende durch Baulärm (Baustelle neben dem Hotel, Ruhestörungen von Umbauten im Hotel o. ä.) in seinem Urlaubsgenuss gestört, so liegt ein gravierender Reisemangel vor, der sogar zur vollen Rückerstattung des Reisepreises führen kann (vgl. Staudinger/Staudinger, BGB (2016), § 651 c Rn. 82). Der Reiseveranstalter ist insoweit auch verantwortlich für Lärm, der von der Nachbarschaft ausgeht (vgl. z. B. Staudinger, a. a. O.; Steinrötter in juris PK-BGB, 8. Aufl., § 651 c Rn. 74; LG Düsseldorf, Urteil vom 7. November 1986 - 22 S 104/86, juris Rn. 25).
b) Die Kläger haben auf Seite 3 f. der Klageschrift Folgendes vorgetragen:
"Während des gesamten Urlaubs der Kläger wurde im Außenbereich der benachbarten Hotelanlage "R. P." mit schwerem Gerät gearbeitet. Die Arbeiten begannen morgens um 7:00 Uhr und dauerten bis in die Dunkelheit an. Wie von d...