Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verfahrensweise nach Erlass einer instanzbeendenden Endentscheidung unter Mitwirkung eines Richters, gegen den zuvor ein Ablehnungsgesuch eingegangen ist, das jedoch übersehen wurde
Leitsatz (amtlich)
Hat das erstinstanzliche Gericht in (versehentlicher) Übergehung eines Befangenheitsgesuchs unter Mitwirkung des abgelehnten Richters eine instanzbeendende Entscheidung erlassen, so ist vor der Bescheidung des - auch auf die Rüge eines Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter gestützten - Rechtsmittels gegen die Endentscheidung zunächst durch das erstinstanzliche Gericht über das übergangene Befangenheitsgesuch zu befinden. Unmittelbar anschließend ist die Sache dem Rechtsmittelgericht vorzulegen, das im Falle der Zurückweisung des Befangenheitsgesuches durch das Erstgericht im Rahmen des Hauptrechtsmittels abschließend über die Frage der Befangenheit befindet.
Ein weiteres, nach Erlass der erstinstanzlichen Endentscheidung angebrachtes und auf die Übergehung der ersten Befangenheitsablehnung gestütztes Befangenheitsgesuch ist allein in dem Fall zulässig, dass (auch) das Beschwerdegericht eine Befangenheit des abgelehnten Richters im Sinne der ersten Ablehnung verneint, die Sache jedoch aus anderem Grunde zurückverweist.
Normenkette
FamFG § 6; ZPO §§ 42, 44, 46-47
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 27.02.2013; Aktenzeichen 617 F 115/13) |
Tenor
Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass der Senat vor einer Entscheidung über die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 27.2.2013 die Akte dem AG zur Entscheidung über das Befangenheitsgesuch vom 22.2.2013 bezüglich des Richters am AG v. B. vorlegt.
Gründe
I. Die beteiligten Eltern des betroffenen H. B. sind geschiedene Ehegatten, die die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam ausüben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Hannes ist durch Beschluss des AG vom 17.11.2011 allein der Kindesmutter übertragen worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 23.1.2012 zurückgewiesen.
Im Hinblick auf den bevorstehenden Umzug der Kindesmutter zu ihrem neuen Lebensgefährten nach B. sowie die Weigerung des Kindesvaters, dem insofern erforderlichen Schulwechsel zuzustimmen, hat die Kindesmutter Anfang Januar 2013 beantragt, ihr das Recht zur Entscheidung über den Schulwechsel gem. § 1628 BGB allein zuzuweisen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens haben der Kindesvater in Abänderung des Beschlusses von 2011 die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie beide Elternteile die Übertragung der elterlichen Sorge bezüglich der Schulangelegenheiten für H. jeweils auf sich verfolgt.
Das AG hat für H. einen Verfahrensbeistand bestellt sowie H. wie auch sämtliche weiteren Beteiligten persönlich angehört. Mit Beschluss vom 27.2.2013 hat es schließlich unter Zurückweisung der Anträge des Kindesvaters der Kindesmutter - auch - die elterliche Sorge bezüglich der Schulangelegenheiten allein übertragen.
Im Rahmen einer kurz zuvor eingereichten umfangreichen Stellungnahme des Kindesvaters zum Anhörungsvermerk bezüglich des Kindes war am Schluss - im Hinblick auf "eine direkte Anhörung der Kindesmutter", über die es kein Protokoll oder einen Vermerk gebe - ein Befangenheitsgesuch gegen den Amtsrichter enthalten.
Gegen den ihm am 1.3.2013 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluss vom 27.2.2013 hat der Kindesvater am 13.3.2013 beim AG Beschwerde eingelegt, mit der er die Zurückverweisung an das AG begehrt. Die Beschwerde will er vorrangig darauf stützen, dass der Beschluss ohne vorherige Entscheidung über das Befangenheitsgesuch ergangen ist. Im Übrigen hält er unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens an seinem erstinstanzlichen Begehren fest. Schließlich verbindet er die Beschwerde mit einem weiteren Befangenheitsgesuch gegen den amtsgerichtlichen Abteilungsrichter aufgrund dessen Übergehung des ersten Befangenheitsgesuches sowie deswegen, weil dieser anlässlich der Kindesanhörung allein mit der Kindesmutter gesprochen habe.
Der abgelehnte Amtsrichter hat am 15.3.2013 eine dienstliche Äußerung zu den Befangenheitsgesuchen abgegeben und darin u.a. angegeben, das Befangenheitsgesuch im Schriftsatz vom 22.2.2013 übersehen zu haben; er hat die Sache zugleich der für Befangenheitsablehnungen zuständigen Abteilung des AG vorgelegt. Von dort sind das erste Befangenheitsgesuch sowie die dienstliche Äußerung allen Verfahrensbeteiligten zu Kenntnis gebracht und ist ihnen mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens (in der Hauptsache) beabsichtigt sei. Sodann ist die Sache dem Senat im Hinblick auf die Beschwerde vorgelegt worden.
II. Vor einer Entscheidung über die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Kindesvaters wird der Senat den Beschluss des AG über das erste Befangenheitsgesuch des Kindesvaters gegen den zuständigen Abteilungsrichter abzuwarten haben.
1. Grundsätzlich zutreffend beruft sich der Kindesvat...