Entscheidungsstichwort (Thema)
"Dieselbe Angelegenheit" i.S: des Vergütungsrechts. Verteidigung des Angeklagten und Vertretung des Nebenklägers
Leitsatz (amtlich)
Vertritt ein Rechtsanwalt in einem Strafverfahren den Angeklagten, welcher als Nebenkläger zugelassen ist, sowohl als Verteidiger als auch als Vertreter der Nebenklage, handelt es sich bei dieser Tätigkeit gebührenrechtlich jedenfalls dann um dieselbe Angelegenheit i. S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, wenn Verteidigung und Nebenklage dieselbe prozessuale Tat betreffen.
Verfahrensgang
LG Bückeburg (Entscheidung vom 09.07.2010; Aktenzeichen KLs 406 Js 7477/08 (1/09)) |
Tenor
1. Das Verfahren wird dem Senat zur Entscheidung übertragen.
2. Die sofortige Beschwerde des Verteidigers und Nebenklagevertreters gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bückeburg vom 9. Juli 2010 wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.170,94 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer vertrat den früheren Angeklagten und inzwischen rechtskräftig freigesprochenen M. G. in einem Strafverfahren vor der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts Bückeburg wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei als Verteidiger. In diesem Strafverfahren, welches wegen desselben Tatgeschehens gegen fünf Angeklagte geführt wurde, wurde M. G. durch Beschluss der 1. großen Jugendkammer vom 06.02.2009 als Nebenkläger zugelassen und ihm der Beschwerdeführer als Beistand beigeordnet, welcher G. in der Hauptverhandlung zugleich als Nebenklagevertreter vertrat. M. G. wurde mit rechtskräftigem Urteil der 1. großen Jugendkammer vom 03.07.2009 freigesprochen. Nach der Kostenentscheidung des Urteils, welche mit Beschluss der 1. großen Jugendkammer vom 11.03.2010 ergänzt worden ist, hat die Landeskasse betreffend M. G. die Kosten des Verfahrens sowie die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen. Dem Verurteilten M. wurden die notwendigen Auslagen des Nebenklägers M. G. auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 08.07.2009, mit dem zugleich eine Abtretungserklärung des freigesprochenen M. G. gemäß § 43 RVG vorgelegt wurde, beantragte der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Wahlverteidiger 12.596,03 € an Gebühren festzusetzen. Er beantragte ferner für seine Tätigkeit als Nebenklägervertreter weitere 7.170,94 € an Gebühren festzusetzen. Bei der Beantragung der Festsetzung der Wahlverteidigergebühren wurden für die Grundgebühr aus Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühren aus Nr. 4104 und 4118 VV RVG jeweils die Höchstgebühr sowie für sämtliche Hauptverhandlungstage mit Ausnahme von zwei Tagen die Höchstgebühr aus dem Gebührentatbestand Nrn. 4118, 4120 VV RVG in Höhe von 780 € geltend gemacht, im Übrigen Gebühren von 445 €.
Die geltend gemachten Gebühren für die Nebenklagevertretung in Höhe von 7.170,94 € wurden dem Beschwerdeführer bereits ausgezahlt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 09.07.2010 hat die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Bückeburg die von der Landeskasse an den Angeklagten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf (weitere) 5.425,09 € festgesetzt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, bei der Vertretung einer Person zugleich als Angeklagten und als Nebenkläger handele es sich um eine Angelegenheit i. S. des § 15 Abs. 2 RVG. Die im Wege der Beiordnung ausgezahlte Vergütung für die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Nebenklagevertreter in Höhe von 7.170,94 € sei auf die geltend gemachte Vergütung für die Tätigkeit als Verteidiger in Höhe von 12.596,03 € anzurechnen, sodass ein festzusetzender Rest in Höhe von 5.425,09 € verbleibe.
Gegen diesen ihm am 14.07.2010 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer mit am 15.07.2010 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12.08.2010 nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. a) Für die zu treffende Entscheidung ist grundsätzlich der Einzelrichter des Strafsenats zuständig. Nach § 464 b Satz 3 StPO gelten für das Kostenfestsetzungsverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Damit findet auch § 568 Satz 1 ZPO für das Beschwerdeverfahren Anwendung, wonach über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn der Einzelrichter oder - wie hier - der Rechtspfleger die angefochtene Entscheidung getroffen hat (vgl. OLG Celle, 2. Strafsenat, Beschluss vom 21.07.2010 - 2 Ws 266/10 -; 1. Senat, Beschluss vom 06.10.2009 - 1 Ws 488/09 -).
b) Nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO überträgt der Einzelrichter das Verfahren dem Spruchkörper zur Entscheidung in der vom Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung aufweist. Dies ist hier der Fall, denn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob der Rechtsanwalt, welcher zugleich als Verteidiger und als Nebenklagevertreter dieselbe...