Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der seit dem 1.6.2006 geltenden Neufassung der BarwertVO
Leitsatz (amtlich)
1. Die seit dem 1.6.2006 geltende Neufassung der BarwertVO ist verfassungsgemäß.
2. Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sind weiterhin als im Anwartschaftsstadium statisch und in der Leistungsphase volldynamisch zu behandeln.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Urteil vom 14.07.2006; Aktenzeichen 626 F 900/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird das Urteil des AG - FamG - Hannover vom 14.7.2006 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (II des Tenors) geändert und wie folgt gefasst:
Von dem Versicherungskonto Nr. ... des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 66,95 EUR, bezogen auf den 28.2.2006, auf das Versicherungskonto Nr. ... der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen.
Zu Lasten der vom Ehemann bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt H. erworbenen Versorgungsanwartschaften werden Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 20,14 EUR, bezogen auf den 28.2.2006, auf dem Versicherungskonto Nr. ... der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund begründet.
Die Monatsbeträge der übertragenen und begründeten Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich der Entscheidung nach § 1 Abs. 3 VAHRG zugelassen.
Beschwerdewert: 1.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien haben am 13.8.1987 miteinander die Ehe geschlossen und sind auf den am 14.3.2006 zugestellten Antrag des Ehemannes durch das angefochtene Urteil geschieden worden. Das AG hat mit der Scheidung den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es auf Seiten beider Parteien jeweils gesetzliche Rentenanwartschaften und Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, deren Versorgungsträger die Beteiligte zu 1) ist, in den Ausgleich einbezogen. Die Anrechte aus der Zusatzversorgung hat das AG gem. § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. der BarwertVO umgewertet, wobei es die Umrechnungsfaktoren aus Tabelle 1 der BarwertVO um 65 % erhöht hat.
Die Beteiligte zu 1) rügt mit ihrer Beschwerde, die Umwertung der Zusatzversorgungsanwartschaften sei unrichtig. Es sei nicht die seit 1.6.2006 geltende Neufassung der BarwertVO angewandt worden.
II. Die Beschwerde ist begründet. Das AG hat die Anrechte beider Ehegatten aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht richtig bewertet und hat infolge dessen zu hohe gesetzliche Rentenanwartschaften für die Ehefrau begründet.
1.a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des AG, dass die von beiden Ehegatten während der Ehezeit (1.8.1987 bis 28.2.2006; § 1587 Abs. 2 BGB) bei der Beteiligten zu 1) erworbenen Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in ihrer Wertentwicklung nicht den als volldynamisch geltenden Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung entsprechen und deshalb gem. § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB in volldynamische Anrechte umzuwerten sind. Seit der zum 1.1.2002 wirksam gewordenen Strukturreform werden Anrechte der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Anwartschaftsstadium nicht mehr an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst, sondern sind statisch (BGH v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474; seitdem ständige Rechtsprechung). Zwar sind die vom Versicherten jährlich erworbenen "Versorgungspunkte" u.a. vom jeweiligen individuellen Bruttoentgelt und damit von der Entwicklung des persönlichen Einkommens abhängig. Die Höhe der für die einzelnen Jahre erworbenen Versorgungspunkte hängt jedoch auch von einem für das jeweilige Lebensalter maßgebenden sog. Altersfaktor ab, der mit zunehmendem Lebensalter sinkt. Hinzu kommt, dass sich der einmal erworbene Wert der Versorgungspunkte während der Anwartschaftsphase nicht mehr verändert. Schließlich ist auch noch zu berücksichtigen, dass eine eventuelle Steigerung des individuellen Arbeitsentgelts, die sich auf künftige Versorgungspunkte auswirken könnte, vom weiteren Verbleib des Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst abhängig und damit während der Anwartschaftsphase noch verfallbar ist.
Die aktuelle Wertentwicklung von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung führt nicht dazu, dass die Wertsteigerung von Zusatzversorgungsanwartschaften als mit derjenigen von Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung nahezu vergleichbar angesehen werden kann. Zwar ist der die Wertentwicklung von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung ausdrückende aktuelle Rentenwert (§ 68 SGB VI) seit Juli 2003 nicht mehr angepasst worden und soll nach dem Rentenversicherungsbericht 2005 (BT-Drucks. 16/905) ...