Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Herausgabe einer in einer iranischen Heiratsurkunde vereinbarten sog. Brautgabe
Leitsatz (amtlich)
1. Weder die in einer iranischen Heiratsurkunde beurkundete Vereinbarung der Eheleute über eine sog. Brautgabe, noch der von einer iranischen Behörde ausgestellte "Vollstreckungstitel" auf Herausgabe ohne vorherige inhaltliche Sachprüfung erfüllt die Voraussetzungen einer anerkennungsfähigen Entscheidung im Sinne von § 108 Abs. 1 FamFG.
2. Zur spiegelbildlichen Prüfung der internationalen Zuständigkeit des iranischen Gerichts im Sinne von § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG in einem Verfahren auf Herausgabe der Brautgabe.
Normenkette
FamFG § 108 Abs. 1, § 109 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 634 F 3887/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 8. April 2020 geändert. Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt S., H., bewilligt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) für einen gegen den Antragsgegner gerichteten Antrag auf Herausgabe einer nach iranischem Recht vereinbarten sog. Braut- oder Morgengabe.
Die Beteiligten haben beide ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit und sind nicht als politische Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt. Sie haben am 29. August 2014 im Iran vor dem Notariat für Eheschließungen in I. geheiratet, leben aber mittlerweile getrennt. Das Scheidungsverfahren, welches der Senat beigezogen hat, ist seit Juni 2019 beim Amtsgericht anhängig.
Der Antragsgegner hat sich anlässlich der Eheschließung in der Heiratsurkunde unter anderem verpflichtet, der Antragstellerin 124 iranische Goldmünzen Yek Bahar Azadi zu schenken.
Die Antragstellerin hat unter dem 3. Juli 2017 einen von der Organisation für die Registrierung von Urkunden und Immobilien ausgestellten "Vollstreckungstitel" über die Herausgabe der Morgengabe, 124 Bahar-e-Azadi Goldmünzen, erwirkt, der als Beweis auf die Heiratsurkunde Bezug nimmt. Ein gerichtliches Verfahren war insoweit von der Antragstellerin nicht eingeleitet worden.
Der Antragsgegner hat am 20. Juli 2019 beim Familiengericht I. in Bezug auf den vorgenannten Vollstreckungstitel die Anordnung einer Ratenzahlung beantragt. Das Familiengericht I. hat daraufhin durch Urteil vom 10. November 2019 den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin 20 Goldmünzen herauszugeben und danach bis zum vollständigen Ausgleich der Morgengabe monatlich zwei weitere Goldmünzen zu zahlen.
Für das vorliegende, Mitte August 2019 eingeleitete Verfahren hat das Amtsgericht der Antragstellerin durch Beschluss vom 8. April 2020 die nachgesuchte VKH mit der Begründung versagt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Brautgabe sei im Iran durch einen Vollstreckungstitel vom 3. Juli 2017 bereits tituliert worden.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie rügt, die Titulierung der Brautgabe im Iran sei gänzlich anders strukturiert. Dort könne allein aus der Heiratsurkunde selbst vollstreckt werden. Etwas anderes sei im Iran nicht versucht worden. Die Vollstreckung sei jedoch unterblieben. Eine gesonderte Titulierung der Vollstreckung sei nicht erfolgt. Die Heiratsurkunde könne in der Bundesrepublik Deutschland ohne gerichtliche Titulierung nicht vollstreckt werden. Die Urkunde selbst erfülle die Voraussetzungen für eine Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Anders wäre es, wenn es eine iranische Gerichtsentscheidung über die Höhe und die Art und Weise der Zahlung der Brautgabe gegeben hätte. Diese wäre dann im Wege des Anerkennungsverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland anerkennungsfähig und auch dann nach der Anerkennung vollstreckbar. Diese Möglichkeit habe die Antragstellerin jedoch nicht. Sie könne ihre Forderung in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend nicht vollstrecken. Da der Antragsgegner jedoch in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft und berufstätig sei, sei die Vollstreckung nur in der Bundesrepublik Deutschland sinnig.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 17. Juli 2020 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Es kann nach der im VKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bereits über einen in Deutschland vollstreckbaren Titel über die mit dem Antragsgegner vereinbarte Brautgabe verfügt. Das Rechtsschutzbedürfnis für ihren beabsichtigten Antrag ist daher zu bejahen.
Für Verfahren mit Auslandsbezug gelten vorrangig vor den Vorschriften des FamFG völkerrechtliche, u...