Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungswidrigkeitenverfahren: Gesetzliche Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot bei Transport von Quark
Leitsatz (amtlich)
1. Frische Milcherzeugnisse im Sinne der gesetzlichen Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO sind alle nicht wärmebehandelten und damit ständig kühlungsbedürftigen Milcherzeugnisse. Auf die Dauer der Haltbarkeit des konkreten Transportgutes im Einzelfall (Mindesthaltbarkeitsdatum) kommt es nicht an.
2. Milcherzeugnisse im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO sind die in der Anlage 1 zur Milcherzeugnisverordnung (MilchErzV) bezeichneten Produkte. Quark ist daher kein Milcherzeugnis im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO, sodass der Transport von Quark nicht der gesetzlichen Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot unterfällt.
Normenkette
StVO § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Buchst. a; OWiG § 29a Abs. 2, 4; MilchFettG § 4 Abs. 2; MilchV Anlage 1
Verfahrensgang
AG Stadthagen (Entscheidung vom 09.06.2017) |
Tenor
1. Die Sache wird gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 9. Januar 2017 zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen.
2. Die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 9. Januar 2017 wird als unbegründet verworfen.
3. Die Verfallsbeteiligte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht Stadthagen hat gemäß § 29a Abs. 2 und Abs. 4 OWiG im selbstständigen Verfallsverfahren gegen die Verfallsbeteiligte mit Urteil vom 9. Januar 2017 den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 2048,44 € angeordnet.
Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: Am 19. Juni 2016 - einem Sonntag - beförderte ein Arbeitnehmer der Verfallsbeteiligten mit einem Sattelzug der Verfallsbeteiligten 20 Tonnen Magerquark, der ein Mindesthaltbarkeitsdatum 16. Juli 2016 aufwies, von T. nach M. an der Ruhr. Auf dem Lieferschein war das Transportgut als "Sammelgut/Frischware +2°C" bezeichnet. Die Fahrtstrecke von T. nach M. an der Ruhr betrug 621 km. Der LKW wurde von Beamten der Polizeidirektion H. um 16.20 Uhr, als er auf der BAB 2 in Fahrtrichtung D. fuhr, angehalten und auf dem Autobahnparkplatz "B. K." kontrolliert. Eine gültige Ausnahmegenehmigung vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot führte der Fahrer des LKW nicht mit; die mitgeführte Ausnahmegenehmigung für "Lebensmittel, Terminware" war aufgrund Ablaufs ihrer Befristung nicht mehr wirksam. Ein gegen den Fahrer des LKW eingeleitetes Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen das Sonn- und Feiertagsfahrverbot wurde gemäß § 47 OWiG eingestellt.
Diesen Transport hat das Amtsgericht als Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO gewertet. Das Vorliegen eines gesetzlichen Ausnahmetatbestandes vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot hat das Amtsgericht verneint. Das Amtsgericht hat insofern ausgeführt, frische Milcherzeugnisse im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO seien lediglich leicht verderbliche Lebensmittel von geringer Haltbarkeit, deren baldiger Transport auch während des an Sonn- und Feiertagen bestehenden Fahrverbots für den Lastwagen-Schwerverkehr erforderlich sei. Davon könne aber bei Lebensmitteln, die - wie dies hier der Fall gewesen sei - noch mehrere Wochen haltbar seien, nicht die Rede sein.
Das Amtsgericht hat weiter festgestellt, dass die Verfallsbeteiligte von ihrem Auftraggeber für die verfahrensgegenständliche Tat einen Frachtlohn erlangte, wobei das Amtsgericht ausgehend von dem Frachttarif nach den "Kalkulationssätzen Gütertransport Straße" gemäß § 29a Abs. 3 OWiG die Höhe des erlangten Frachtlohnes mit 2048,44 € bestimmt hat. In Anwendung des Bruttoprinzips und unter ausdrücklicher Ausübung eigenen Ermessens hat das Amtsgericht gemäß § 29a Abs. 2 und Abs. 4 OWiG den Verfall eines Betrages in der Höhe des ermittelten Frachtlohnes, also in Höhe von 2048,44 €, angeordnet.
2. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Verfallsbeteiligte, die den vom Amtsgericht festgestellten Sachverhalt nicht in Frage stellt, macht im Wesentlichen geltend, das transportierte Produkt - Magerquark - sei ein frisches Milcherzeugnis gewesen und unterfalle daher der gesetzlichen Ausnahmeregelung vom Sonn- und Feiertagsverbot des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO; einer behördlichen Ausnahmegenehmigung habe es nicht bedurft. Die verfahrensgegenständliche Fahrt habe mithin keine Ordnungswidrigkeit dargestellt, so dass für eine Verfallsanordnung zur Abschöpfung des erlangten Transportlohnes aus Rechtsgründen kein Raum sei. Auf das konkrete Haltbarkeitsdatum des Transportgutes komme es - entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts - nicht an. Die gesetzliche Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot sei allein deshalb erfüllt, weil das transportierte Milcherzeugnis nicht als...