Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilferechtliche Mutwilligkeit in Umgangsauseinandersetzung bei Unterlassen von Vermittlungsbemühung beim Jugendamt
Leitsatz (amtlich)
In einer Umgangsauseinandersetzung sind die Kindeseltern zur Vermeidung des Vorwurfs verfahrenskostenhilferechtlicher Mutwilligkeit nicht per se zu einer vorherigen Einschaltung des Jugendamtes zur Vermittlung verpflichtet. Das Unterlassen naheliegender und erfolgversprechender Bemühungen kann aber im konkreten Einzelfall mutwillig sein (hier: kein Eingehen auf die ausdrückliche Mitteilung des anderen Elternteil über die erfolgte Einschaltung des Jugendamtes und die Bereitschaft zu ersten von dort begleiteten Umgangskontakten und einer anschließenden Umgangsvereinbarung).
Normenkette
FamFG § 76 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 25.08.2011; Aktenzeichen 617 F 3656/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die seit Juni 2011 getrenntlebenden Eltern des betroffenen J. D. L., der im Haushalt der Kindesmutter verblieben ist; im Zusammenhang mit der Trennung hat die Kindesmutter gegen den Kindesvater eine gerichtliche Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt. Bezüglich der - bislang allein von der Kindesmutter ausgeübten - elterlichen Sorge hatte der Kindesvater bereits Anfang Juli 2011 ein gerichtliches Verfahren eingeleitet.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 27.7.2011 hat der Kindesvater zudem das vorliegende, auf gerichtliche Regelung des Umganges mit dem damals gut zweijährigen J. D. gerichtete Verfahren eingeleitet. Dabei begehrt er - als Feststellungsantrag - einen vierzehntägigen Umgang in der Zeit von Freitag 17:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr und hat für das Verfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht.
Das AG hat dem Kindesvater VKH versagt und dabei darauf abgestellt, sein Verhalten sei als verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig zu beurteilen; vor einer Inanspruchnahme des Gerichtes habe er nicht die außergerichtliche Hilfs-, Beratungs- und Vermittlungsangebote etwa des Jugendamtes in Anspruch genommen, um eine gütliche Beilegung des Elternkonfliktes zu erreichen. Dies gelte um so mehr, als sich die Kindesmutter ihrerseits bereits vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens ausdrücklich an das Jugendamt gewandt und dem Kindesvater diese Inanspruchnahme sowie die Bereitschaft zu einer dortigen Vereinbarung von - zunächst begleiteten - Umgangskontakten schriftsätzlich angezeigt hatte.
Gegen diesen ihm am 30.8.2011 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 30.9.2011 per Fax eingegangene sofortige Beschwerde, die am 5.10. näher begründet worden ist und mit der er sein Ziel der VKH-Bewilligung unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten weiterverfolgt.
Bereits am 6.9.2011 hatte vor dem AG ein umfassender Anhörungstermin stattgefunden, in dem sich die Kindeseltern auf die Durchführung von drei durch das Jugendamt begleiteten Umgangskontakten sowie eine anschließend ebenfalls durch das Jugendamt vermittelte einvernehmliche Regelung des weiteren Umgangs einigten. Nach Mitteilung des Jugendamtes vom 26.9.2011 ist eine entsprechende Regelung auch tatsächlich erfolgt; anschließend hat auch die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mitgeteilt, dass das Verfahren "als erledigt betrachtet werden kann".
Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Celle vorgelegt. Der Einzelrichter hat die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
II. Die zulässige Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben. Unter den besonderen Umständen des Streitfalles hat das AG dem Antragsteller zu Recht die nachgesuchte VKH unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit versagt.
1. Allerdings teilt der Senat ausdrücklich nicht die teilweise vertretene Auffassung, Kindeseltern seien bei Umgangsauseinandersetzungen vor Anrufung des Familiengerichts stets zu Vermittlungsversuchen über das Jugendamt oder vergleichbare Einrichtungen verpflichtet und eine Unterlassung derartiger Bemühungen schließe - abgesehen von Fällen offenkundiger Aussichtslosigkeit - eine VKH-Bewilligung durchgreifend aus (vgl. etwa OLG Rostock - Beschl. v. 8.3.2011 - 10 WF 23/11 - FamFR 2011, 305 = MDR 2011, 790 - auch m.w.N. zum Streitstand). Die Vielgestaltigkeit der insofern zu beurteilenden Fälle sowie nicht zuletzt die erheblichen Unterschiede in Bereitschaft wie Möglichkeit der örtlichen Jugendämter zu einer effektiven Hilfestellung stehen der Aufstellung eines derartig pauschalen Regel-Ausnahme-Verhältnisses durchgreifend entgegen. Dies schließt es allerdings nicht etwa aus, im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände im Hinblick auf unterlassene oder ausgeschlagene Vermittlungsmöglichkeiten ggf. auch verfahrenskostenhilferechtliche Mutwilligkeit anzunehmen.
2. Unter den Umständen des hier vorliegenden Falles muss eine Prüfung zur Bejahung der Mutwilligkeit und einer Versagung der VKH führen. Zutreffend geht das AG davon...