Leitsatz (amtlich)

1. Ein Überbrückungsgeld ist nicht zu bilden, wenn der Strafgefangene eine Rente bezieht, die ihn in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sicher zu stellen (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. OLG Celle, Nds. RPfl. 2008, 111).

2. Hiervon kann nicht mehr die Rede sein, wenn der Strafgefangene nur eine Kleinstrente bezieht und deshalb die Befürchtung besteht, dass er nach seiner Haftentlassung zusätzlich zum notwendigen Lebensunterhalt soziale Leistungen beziehen muss. Mit Hilfe der Rente bereits angespartes Vermögen hat wegen dessen fehlender Unpfändbarkeit bei der Beurteilung regelmäßig außen Vor zu bleiben.

 

Normenkette

NJVollzG § 47; SGB I §§ 50, 54-55

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Entscheidung vom 31.03.2011; Aktenzeichen 17a StVK 810/10)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 16. November 2010 werden aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Überbrückungsgeld für den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt die Landeskasse.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 600 € festgesetzt (§§ 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3, 65 GKG).

 

Gründe

I. Der Antragsteller verbüßt derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes und Vergewaltigung aus dem Urteil des Landgerichts Stade vom 27. April 1992. Er ist Rentner und daher zur Arbeit in der Justizvollzugsanstalt nicht verpflichtet. Er bezieht eine monatliche Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 361,81 €, die er sich auf ein externes Postscheckkonto auszahlen lässt. Hierauf hat er einen Betrag von 3.000, € angespart. Unter dem 16. November 2010 hat die Antragsgegnerin die Höhe des Überbrückungsgeldes auf 0, € festgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass von einer Entlassung des Antragstellers zur Bewährung aufgrund seines Alters und seiner Erkrankung derzeit nicht auszugehen sei. Zudem seien seine Rentenbezüge in Höhe von über 3.000, € zu berücksichtigen gewesen. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den die Kammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet verworfen hat. Die Berücksichtigung des bestehenden Guthabens und der weiterhin laufenden Rentenbezüge sowie der Entlassungsprognose rechtfertige die Festsetzung des Überbrückungsgeldes auf 0, €. Der Antragsteller sei verpflichtet, sein Vermögen sinnvoll zu verwalten und dafür zu sorgen, dass ihm dieses im Fall der Entlassung noch zur Verfügung stehe.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 116 StVollzG zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Es gilt, die Rechtsprechung des Senats zu der Frage, ob und in welchem Umfang bei Strafgefangenen, die eine Rente beziehen, ein Überbrückungsgeld festzusetzen ist (vgl. OLG Celle, Nds. RPfl. 2008, 111), zu konkretisieren.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die zulässig erhobene Sachrüge deckt einen durchgreifenden Rechtsmangel im angefochtenen Beschluss auf, der zu dessen Aufhebung und Zurückverweisung an die Antragsgegnerin führt. Denn deren Begründung im Bescheid vom 16. November 2010 genügt nicht, das Überbrückungsgeld auf 0, € festzusetzen.

a. Mit dem Überbrückungsgeld sollen die für eine soziale Reintegration eines Gefangenen erforderlichen wirtschaftlichen Mittel sichergestellt und damit gewährleistet werden, dass der Gefangene unmittelbar nach der Strafentlassung nicht in wirtschaftliche Not gerät. Die Regelung des § 47 NJVollzG ist damit eine Schutzvorschrift für den Gefangenen, die zugleich den öffentlichen Haushalt von der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen entlastet (vgl. Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 5. Aufl., § 51 StVollzG Rn. 1). Dies hat zugleich zur Folge, dass ein Überbrückungsgeld nicht zu bilden ist, wenn der Strafgefangene eine Rente bezieht, die ihn in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sicher zu stellen (vgl. OLG Celle aaO.). In diesem Fall verfügt der Strafgefangene nämlich über eine ebenso wenig wie das Überbrückungsgeld (§ 50 Abs. 2 NJVollzG) pfändbare Forderung (§ 54 SGBI i.V.m. §§ 850a ff ZPO). Zwar liegen die Pfändungsfreigrenzen bei laufenden Einkünften regelmäßig unterhalb der Höhe des von den Justizvollzugsanstalten festzusetzenden Überbrückungsgeldbetrags (vgl. Ziff. 1 II VV zu § 51 StVollzG), so dass einem Rente beziehenden Strafgefangenen bei Zugriff von Gläubigern auf den pfändbaren Teil der Rente ein geringerer Betrag nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug zur Verfügung stehen kann. Diese Schlechterstellung wird aber durch den Umstand ausgeglichen, dass dem ...

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