Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsordnungswidrigkeit: Fahrt zur Jagdausübung als "landwirtschaftlicher Verkehr"
Leitsatz (amtlich)
Fahrten im Zusammenhang mit der Jagdausübung fallen unter den Begriff des "landwirtschaftlichen Verkehrs" (Zusatzzeichen 1026-36).
Normenkette
StVG § 24; StVO § 41 Abs. 1 Anlage 2 Nr. 28, § 49 Abs. 3 Nr. 4; BKatV § 1 Abs. 1 Anlage Abschn. 1 Nr. 141.3
Verfahrensgang
AG Achim (Entscheidung vom 11.06.2014) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Achim vom 11.06.2014 aufgehoben.
Die Betroffenen werden freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheiden vom 08.10.2013 hat der Landkreis V. gegen die Betroffenen jeweils eine Geldbuße in Höhe von 20,- € festgesetzt wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs in einem Verkehrsbereich, der durch das Verkehrszeichen 250 gesperrt und für den lediglich durch das Zusatzzeichen 1026-36 ("landwirtschaftlicher Verkehr frei") ein Befahren mit Kraftfahrzeugen erlaubt war, §§ 24 StVG, 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, 141.3 BKat.
Auf die jeweiligen Einsprüche der Betroffenen hat das Amtsgericht Achim mit Urteil vom 11.06.2014 gegen die Betroffenen wegen "einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit - Befahren von nur für den landwirtschaftlichen Verkehr zugelassenen Flächen ohne Ausnahmegenehmigung" jeweils eine Geldbuße in Höhe von 20,- € verhängt.
Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Betroffenen als Jäger am 21.07.2013 nachmittags in der Achimer Marsch eine Jagdhundeausbildungseinheit durchgeführt haben. Dabei seien sie von ihrem Treffpunkt aus jeweils als Führer ihrer PKWs über Verkehrsflächen zu der Jagdhundeausbildungsstätte gefahren, die für den allgemeinen Fahrzeugverkehr gemäß Verkehrszeichen 250 (Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art) gesperrt gewesen seien. Eine Ausnahmeregelung besteht ausweislich eines zu Beginn der jeweiligen Zuwegung angebrachten Zusatzschildes 1026-36 lediglich für den "landwirtschaftlichen Verkehr", was den Betroffenen jeweils auch nicht entgangen sei.
Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass die Betroffenen den so beschilderten Bereich im Rahmen ihrer Jagdausübung - hier in Form der Jagdhundeausbildung - nicht hätten befahren dürfen, so dass sie einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit schuldig seien.
Gegen dieses Urteil richten sich die jeweiligen Anträge der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Mit Beschluss vom 21.11.2014 hat der Senat die Rechtsbeschwerden der Betroffenen zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da die Frage, ob ein Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art, von dem landwirtschaftlicher Verkehr ausgenommen ist, auch für Fahrzeug gilt, die zur Ausübung der Jagd oder zur Ausübung von Tätigkeiten zur Durchführung der Jagd genutzt werden, in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden worden ist.
Die Betroffenen sind der Ansicht, dass sie als Jäger bei Ausübung einer Jagdaktivität wie der Jagdhundeausbildung unter die Ausnahmeregelung fielen, weil landwirtschaftlicher Verkehr auch die Verkehrsflächennutzung durch Jäger umfasse.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte beantragt, die Zulassungsanträge zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen haben Erfolg.
Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Achim war aufzuheben. Die Betroffenen waren freizusprechen.
1.) Die Sperrung eines Weges mit dem amtlichen Verkehrszeichen Nr. 250 (Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art) erlaubt eine Durchfahrt für Jagdausübungsberechtigte nach soweit ersichtlich einhelliger Rechtsprechung und Literatur dann, wenn die Zeichen mit dem Zusatzschild "Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei", Zeichen 1026-38, versehen sind (vgl. nur Schuck, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, § 3, Rn. 19; Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum BJagdG, 4. Auflage 1982, § 33, Rn. 4; Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, § 1 BJagdG, Rn. 48; AG Wolfshagen, Urteil vom 27.09.2004, Az.: 2 C 329/04).
Die Durchfahrt ist aber auch dann erlaubt, wenn sie lediglich für den "landwirtschaftlichen Verkehr" (Zusatzzeichen 1026-36) freigegeben ist. Die Betroffenen haben sich deshalb nicht ordnungswidrig verhalten.
Bei Fahrten im Rahmen der Jagdausübung handelt es sich um "landwirtschaftlichen Verkehr". Auch die Fahrt zum Treffpunkt der anstehenden Jagdhundeausbildung gehört dazu. Dies folgt bereits aus § 4 Abs. 4 Satz 1 NJagdG, wonach die Ausbildung von Jagdhunden als Jagdausübung gilt.
Dass auch Fahrten im Zusammenhang mit der Jagdausübung unter den Begriff des "landwirtschaftlichen Verkehrs" nach der StVO fallen, ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
a) Landwirtschaft ist eine auf Erwerb gerichtete Urproduktion, welche die regelmäßige und darum pflegliche Nutzung des Bodens zum Zwecke der Gewinnung von Nahrungs- und technischen Rohstoffen pflanzlicher und tierischer Natur zum Gegenstand hat. Landwirtschaftlicher Verk...