Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 07.12.2015; Aktenzeichen 166a F 18359/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 7.12.2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Einwilligung des Vaters zur Annahme der Antragstellerin als Kind durch die Pflegeeltern wird ersetzt.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Seine außergerichtlichen Kosten (1. und 2. Instanz) trägt jeder Beteiligte selbst.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Vaters zur Adoption der Antragstellerin durch die weiteren Beteiligten zu 2. und 3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen.

Das AG hat den Antrag der 16-Jährigen auf Ersetzung der Zustimmung des Vaters zu der von ihr begehrten Adoption durch ihre Pflegeeltern zurückgewiesen. Dabei hat es zunächst die Voraussetzungen des § 1748 Abs. 1 BGB geprüft und diese verneint, insoweit als es keine anhaltend gröblichen Pflichtverletzungen des Vaters gegenüber ..., keine Gleichgültigkeit im Sinne der genannten Vorschrift und keine besonders schwere Pflichtverletzung des Vaters gegenüber ..feststellen konnte. Auch die Voraussetzungen des § 1748 Abs. 4 BGB hat das AG verneint, weil das Unterbleiben der Annahme dem Kind nicht zu einem unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne dieser Vorschrift gereichen würde. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des § 1748 Abs. 4 BGB unter Gleichheitsgesichtspunkten und des BGH zur Anwendung eines einheitlichen Maßstabes bei der Prüfung eines unverhältnismäßigen Nachteils im Sinne des § 1748 Abs. 1 und 4 BGB ergebe sich, dass hier ein strenger Maßstab anzusetzen sei. Als unverhältnismäßiger Nachteil des Unterbleibens einer Adoption genüge nicht das Verfehlen der damit erstrebten Rechtsposition, wenn die tatsächlichen Verhältnisse in einer guten Pflegefamilie weder tatsächlich noch durch die Regelungen des internationalen Familienrechts gefährdet seien. Das Unterbleiben der von den Pflegeeltern gegen den nachhaltig erklärten Willen der Eltern angestrebten Adoption könne geboten sein, damit die Eltern, die keinen Umgang mit dem Kind mehr ausüben, nach der Belastung durch den Entzug des Sorgerechts wenigstens die formale Elternposition behalten könnten. Ein Unterbleiben der Adoption stelle zwar für die Pflegeeltern eine nicht unerhebliche Belastung dar. Dem stehe aber gegenüber die Belastung, die schon der Entzug der elterlichen Sorge für die Eltern bedeutet habe und bedeute. Den Eltern gegen ihren nachhaltig erklärten Willen durch die Adoption eine weitere Last aufzuerlegen, sei unbillig. Denn durch die Adoption würden die Eltern jegliche Rechte, selbst das Recht auf Auskunft über das Ergehen der Kinder verlieren. Den Pflegeeltern und dem Kind könne dagegen das Unterbleiben der Adoption abverlangt werden. Die Annahme der Kinder als ihre Pflegekinder bedeute keine Anwartschaft auf eine Adoption. Das Risiko der Beendigung der Pflegekindschaft sei durch die eigens für solche Fälle geschaffene Regelung des § 1632 Abs. 4 BGB wirksam ausgeschaltet. Störungen durch die Ausübung des Elternrechts, zum Beispiel beim persönlichen Umgang, könne das Familiengericht begegnen. Damit sei die Rechtsposition von Pflegeeltern mit im Gesetz hierfür vorgesehenen Instrumenten auch ohne Adoption umfassend geschützt. Eine schwere Gefährdung für das Kind dadurch, dass es nicht adoptiert werden könne, sei nicht zu erkennen. Da keinerlei Umgang stattfinde, stelle die Umgangsfrage auch kein Problem dar. Das Kind könne sich nicht besser entwickeln. Dem stehe also das bisherige Unterbleiben der Adoption nicht entgegen.

Gegen diese, dem Vormund am 7.12.2015, der Antragstellerin am 12.12.2015 zugestellte Entscheidung richten sich die am 28.12.2015 beim AG eingegangene, durch den Vormund eingelegte und die am 7.1.2016 beim AG eingegangene, über die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingelegte Beschwerde der Antragstellerin.

Der Senat hat sowohl...als auch ihre Pflegeltern, den Vormund und die Vertreter des Jugendamtes im Termin vom 15.6.2016 ausführlich angehört. Der Vater ist trotz ordnungsgemäßer Ladung zu dem Anhörungstermin nicht erschienen. Mit Verfügung vom 15.6.2016 ist dem Vater Gelegenheit gegeben worden, mitzuteilen, warum er dem Termin fern geblieben ist. Gleichzeitig hat der Senat angekündigt, dass er ohne weitere Anhörung entscheiden werde, sollte innerhalb der gesetzten Frist von drei Tagen ab Zustellung der Verfügung eine Stellungnahme des Vaters nicht oder nur eine unzureichende Entschuldigung für sein Fehlen im Anhörungstermin eingehen. Eine Stellungnahme des Vaters ist innerhalb der dafür gesetzten Frist nicht eingegangen.

II. Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig, §§ 58 ff. FamFG. Das gilt sowohl für die vom Vormund als auch für die über ihre Verfahrensb...

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