Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung sind Gegenanträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugunsten des Verfügungsbeklagten zumindest dann unzulässig, wenn sie einen anderen Streitgegenstand betreffen.
2. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung wegen Besitzentziehung kann auch eine zur Abwehr der Zwangsvollstreckung vorgenommene Handlung (hier: Wiedereinräumung des Besitzes) des Verfügungsbeklagten zur Erledigung der Hauptsache führen, weil der Verfügungskläger die erstrebte vorläufige Sicherung erlangt hat.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 17 O 242/17) |
Tenor
Es wird erwogen, die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das am 12. Mai 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Dem Verfügungsbeklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme und ggf. Rücknahme seiner Berufung aus Kostengründen bis zum 24. Juli 2017 gegeben.
Gründe
I. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dürfte nicht erforderlich sein. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die von den tatsächlichen Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung abhängig ist. Gegenteiliges zeigt der Verfügungsbeklagte nicht auf. Eine mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO hält der Senat nicht für geboten.
II. Die Berufung des Verfügungsbeklagten hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der Verfügungsbeklagte hat mit dem Austausch des Türschlosses der Hauseingangstür zum Bürogebäude und des Schlosses am Tor der Lagerhalle zweifelsfrei eine verbotene Eigenmacht i.S. von § 858 BGB mit der Folge begangen, dass sich der Verfügungskläger dieser verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren konnte (§ 859 Abs. 1 BGB) und ihm überdies gemäß § 861 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Wiedereinräumung des durch verbotene Eigenmacht entzogenen Besitzes zustand. Der Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm nach der von ihm erklärten fristlosen Kündigung ein Anspruch auf Herausgabe der Mietsache zustand, denn gemäß § 863 BGB kann gegenüber dem Anspruch aus § 861 BGB ein Recht zum Besitz oder zur Vornahme der störenden Handlung gerade nicht geltend gemacht werden. Die Geltendmachung petitorischer Einwendungen ist grundsätzlich ausgeschlossen (siehe nur Palandt/Herrler, BGB, 76. Auflage, § 863 Rn. 1). Erst recht berechtigten den Verfügungsbeklagten auch nicht die behaupteten permanenten Vertragsverletzungen in Form von persönlichen Angriffen, Beleidigungen oder Bedrohungen sich eigenmächtig dem Besitz an der vermieteten Sache zu verschaffen.
Der Anspruch des Verfügungsklägers aus § 861 BGB ist entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten auch nicht deshalb entfallen, weil Mitarbeiter des Verfügungsklägers angeblich das Schloss des Tores zur Lagerhalle aufgebrochen haben sollen. Der Verfügungsbeklagte verkennt, dass der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes nicht bereits dann erfüllt ist, wenn es dem Berechtigten möglich ist, die tatsächliche Gewalt über einen Teil der entzogenen Mietsache auszuüben. Bei verschlossenen Räumen kann von der Verschaffung des Besitzes erst dann gesprochen werden, wenn dem Berechtigte ordnungsgemäßen Zugang zu sämtlichen Räumen hat und die entsprechenden Schlüssel besitzt (siehe nur Erman/A.Lorenz, BGB, 13. Auflage, § 854 Rn. 4). Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass der Verfügungskläger allein mit der tatsächlichen Möglichkeit, die Lagerhalle zu betreten, Besitz an der entzogenen (Miet-)Sache erlangt hat.
Dem Verfügungskläger kann in diesem Zusammenhang auch nicht entgegengehalten werden, er habe das Eigentum des Verfügungsbeklagten geschädigt und damit selbst eine verbotene Eigenmacht begangen. Wie bereits einleitend dargelegt durfte sich der Verfügungskläger als ehemaliger Besitzer der vom Verfügungsbeklagten begangenen verbotenen Eigenmacht mit Gewalt erwehren (§ 859 Abs. 1 BGB). Ein Aufbrechen des Schlosses zur Lagerhalle eine Stunde nach Feststellen des Austauschens ist auch als "sofort" i.S. von § 859 Abs. 3 BGB anzusehen. Denn "sofort" bedeutet nicht unverzüglich, sondern so schnell wie möglich wie dies nach objektiven Maßstäben ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Entziehung möglich ist (siehe Palandt/Herrler, a.a.O. § 859 Rn. 4). Diese Voraussetzung ist bei einer Reaktion binnen Stundenfrist gewahrt.
Entgegen der rechtsirrigen Auffassung des Verfügungsbeklagten hat das Landgericht auch zu Recht die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt.
Die erkennende Einzelrichterin hat das Urteil zwar zu Unrecht als "Arresturteil" bezeichnet, denn ein dinglicher oder persönlicher Arrest ist überhaupt nicht angeordnet worden. Ferner hat die Einzelrichterin verkannt, dass von einer Erfüllung im Rechtssinne (§ 362 BGB) grundsätzlich...