Leitsatz (amtlich)
Hat ein Gericht ein Prozesskostenhilfeverfahren formal ordnungsgemäß gem. § 281 ZPO verwiesen, bindet das darin bezeichnete Gericht hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit für dieses Verfahren, nicht jedoch für das ggf. folgende Klageverfahren.
Normenkette
ZPO §§ 281, 114
Verfahrensgang
AG Meldorf (Aktenzeichen 80 C 1455/10) |
AG Winsen/Luhe (Aktenzeichen 20 C 697/11) |
Tenor
Das AG Winsen/Luhe ist zuständig.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Das AG Winsen/Luhe war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Denn der Verweisungsbeschluss des AG Meldorf vom 27.1.2011 ist für das AG Winsen/Luhe bindend nach § 281 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Das AG Meldorf ist nicht schon deshalb örtlich zuständig, weil das AG Winsen/Luhe mit Beschluss vom 9.11.2010 und der erkennende Senat im Beschluss vom 22.12.2010 dieses AG als im Prozesskostenhilfeverfahren örtlich zuständiges Gericht bezeichnet haben (AG Winsen/Luhe 21 C 1579/10 und OLG Celle 4 AR 125/10). Denn nach heute ganz überwiegend in Rechtsprechung und Schrifttum vertretener Meinung ist ein im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ergangener Verweisungsbeschluss nur für dieses bindend, jedoch nicht für ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht anhängiges Hauptsacheverfahren (BGH NJW-RR 2010, 209 und ebenso BAG NJW 1993, 751. durch letztgenannte BAG Entscheidung hatte sich auch der Vorlagebeschluss des BGH in BGH NJW-RR 1992, 59 erledigt. ebenso Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 281 Rz. 16b. Prütting in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 281 Rz. 51. Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rz. 79. Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 281 Rz. 16 und aus der obergerichtlichen Rechtsprechung OLG Saarbrücken FamRZ 1978, 807. OLG Karlsruhe OLGZ 85, 123. KG MDR 2008, 707. a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 281 Rz. 32. OLG Düsseldorf Rpfleger 1979, 431).
Von diesem Grundsatz fehlender Bindungswirkung der Verweisung im Prozesskostenhilfeverfahren für das nachfolgende Streitverfahren wird nur in dem hier nicht vorliegenden Fall der Rechtswegverweisung nach § 17a GVG eine Ausnahme gemacht (BGH, BAG, a.a.O.). Ansonsten wird die fehlende Bindungswirkung im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsgegner in dem summarischen und im Wesentlichen zwischen Antragsteller und Gericht geführten Prozesskostenhilfeverfahren nicht die Möglichkeiten eigener Stellungnahme zur Zuständigkeitsfrage in einem Umfang hat wie im streitigen Hauptsacheverfahren (BGHZ 89, 65, 66. BAG NJW 1993, 751, 752). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Das bedeutet, dass der Verweisungsbeschluss des AG Meldorf vom 27.1.2011 Bindungswirkung für das AG Winsen/Luhe entfaltet. Objektive Willkür lag der Verweisung nicht zugrunde, weil das AG Meldorf wie vorstehend dargelegt nicht schon deshalb bindend zuständig ist, weil seine örtliche Zuständigkeit im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren bejaht wurde. Auch dem Senatsbeschluss vom 22.12.2010 kommt keine weitergehende Bindungswirkung zu als dem seinerzeit im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Verweisungsbeschluss des AG Winsen/Luhe vom 9.11.2010 (vgl. Patzina in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 37 Rz. 7).
Das AG Meldorf weist in seinem Beschluss vom 30.6.2011 auch mit Recht darauf hin, dass die Gründe, die den Senat im Beschluss vom 22.12.2010 zu der Annahme bewogen haben, eine bindende Verweisung an das AG Meldorf anzunehmen, nunmehr umgekehrt auf die Verweisung an das AG Winsen/Luhe im Beschluss des AG Meldorf vom 27.1.2011 zutreffen. Denn nach wie vor kann offen bleiben, ob das AG Meldorf die Voraussetzungen einer Zuständigkeit des AG Winsen/Luhe nach § 29a ZPO zutreffend bejaht hat oder nicht. Denn der Senat hat in seinem Beschluss vom 22.12.2010 (dort S. 2) zwar dargelegt, dass er eher dazu neige, eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit nach § 29a ZPO zu verneinen, die gegenteilige Auffassung aber ausdrücklich als ebenfalls vertretbar bezeichnet. Hieran hält der Senat fest. Deshalb ist nunmehr im Hauptsacheverfahren der Verweisungsbeschluss des AG Meldorf für das AG Winsen/Luhe bindend.
Der erneute Verweisungsbeschluss des AG Winsen/Luhe vom 14.6.2011 konnte diese Bindungswirkung nicht mehr beseitigen, auch wenn diese erneute Verweisung wiederum auf übereinstimmendem Willen der Parteien beruht haben mag. Denn der erneute Antrag vor allem der Klägerin, das Hauptsacheverfahren an das AG Meldorf zu verweisen, ist, wie ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 13.5.2011 (Bl. 63 d.A.) deutlich aufzeigt, im Wesentlichen von dem durchaus verständlichen und auch vom Gesetzgeber mit der Bindungswirkung in § 281 ZPO bezweckten Anliegen getragen, den vorliegend nunmehr monatelang andauernden Zuständigkeitsstreit der Gerichte nicht auf dem Rücken der Parteien auszutragen.
Fundstellen
FamRZ 2012, 46 |
MDR 2011, 1318 |