Leitsatz (amtlich)

Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts kann auch nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Landgericht wegen eines Verfahrensmangels noch gerügt werden, wenn bis zur Einlegung der Berufung ein Hinweis nach § 504 ZPO unterblieben ist, weil die fehlende sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts übersehen wurde und das Amtsgericht diesen Hinweis erst nach Zurückverweisung der Sache erteilt; ein Verlust des Rügerechts durch das zwischenzeitlich geführte Berufungsverfahren ist nicht eingetreten.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 1 O 264/06)

AG Winsen/Luhe (Aktenzeichen 22 C 493/04)

 

Tenor

Das Landgericht Lüneburg ist zuständig.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I.

In dem bereits seit 2004 vor dem Amtsgericht Winsen (Luhe) anhängigen Verfahren streiten die Parteien um einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aufgrund der Verletzung von Aufklärungspflichten im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages und um Feststellung. Obwohl der Streitwert des Verfahrens schon von Beginn an 5.887,89 EUR betragen und mithin oberhalb der Zuständigkeitsgrenze des Amtsgerichts gelegen hat, sind die Parteien bis zum Erlass des am 4. Januar 2005 verkündeten erstinstanzlichen Urteils nicht gemäß § 504 ZPO über die sachliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Winsen (Luhe) belehrt und auf die Folgen einer rügelosen Einlassung hingewiesen worden. Erst nachdem das Landgericht Lüneburg im Berufungsverfahren mit einem am 15. Dezember 2005 verkündeten Urteil die Entscheidung des Amtsgerichts Winsen (Luhe) einschließlich des ihr zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurückverwiesen hat, ist mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20. September 2006 eine Belehrung über die sachliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts und die möglichen Folgen einer rügelosen Verhandlung zur Hauptsache erfolgt. Auf diesen Beschluss hin hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21. September 2006 die Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt. Seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind zwar mit Schriftsatz vom 27. September 2006 Zweifel bezüglich der nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache noch fortdauernden Unzuständigkeit des Amtsgerichts geäußert worden, gleichwohl hat die Klägerin nach nochmaliger Belehrung über die fehlende Zustimmung des Amtsgerichts durch Beschluss vom 12. Oktober 2006 mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 hilfsweise ein Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Lüneburg gestellt.

Nach Verweisung des Rechtsstreits durch das Amtsgericht Winsen (Luhe) mit Beschluss vom 25. Oktober 2006, in dem das Amtsgericht ausgeführt hat, dass seine Zuständigkeit aufgrund einer fehlenden Belehrung gemäß § 504 ZPO nicht begründet worden sei, hat der Einzelrichter der ersten Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg mit Beschluss vom 21. November 2006 die Übernahme der Sache durch das Landgericht abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, auch wenn bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils auf die fehlende Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht hingewiesen worden sei, müsse doch nach Abschluss der zweiten Instanz, in der die örtliche und sachliche Zuständigkeit gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht mehr hätte gerügt werden können, davon ausgegangen werden, dass nunmehr die Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben sei und eine Verweisung der Sache nach Aufhebung und Zurückverweisung nicht mehr in Betracht komme. Das Landgericht habe sich darüber hinweg gesetzt, dass für das Verfahren im Berufungsrechtszug gemäß § 525 ZPO die für das Verfahren vor dem Landgericht geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden seien. Eine Rüge der sachlichen Zuständigkeit komme nach diesen Vorschriften nicht mehr in Betracht. Das Rügerecht könne deshalb auch nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache nicht wieder aufleben.

Nach Rückgabe der Sache hat das Amtsgericht Winsen (Luhe) mit Beschluss vom 28. November 2006 seinerseits abgelehnt, die Sache wieder zu übernehmen und das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht Celle vorgelegt. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, aufgrund der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache seien die Vorschriften für das landgerichtliche Verfahren nicht mehr als maßgebend anzusehen. Vielmehr komme es auf die Regeln für das amtsgerichtliche Verfahren an. Nach diesen Vorschriften sei jedoch eine Zuständigkeit durch rügelose Einlassung niemals begründet worden, solange eine Belehrung nach § 504 ZPO nicht erfolgt sei. Außerdem sei der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts vom 25. Oktober 2006 als bindend anzusehen; selbst einem auf Rechtsirrtum beruhenden Verweisungsbeschluss komme nämlich eine grundsätzliche Bindungswirkung zu, wenn er nicht rechtlich vollkommen unhaltbar sei.

II.

Das Landgericht Lüneburg war gemäß § 37 Abs. 1 ZPO auf den Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Winsen (Luhe)...

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