Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Leistungen nach §§ 19 ff. SGB II als Einkommen
Leitsatz (amtlich)
Leistungen, die der Unterhaltsberechtigte nach den §§ 19 ff. SGB II bezogen hat, sind ausnahmsweise als Einkommen zu behandeln, wenn die Nichtberücksichtigung der Leistungen treuwidrig wäre.
Normenkette
SGB II §§ 19, 33 Abs. 2 S. 2; BGB § 1613
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 607 F 5731/04) |
Tenor
1. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.727,28 EUR festgesetzt.
2. Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16.6.2006 gegeben.
Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg.
Gründe
I. Die Parteien sind seit dem 28.5.2004 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die Klägerin hat den Beklagten mit einer am 8.4.2005 rechtshängig gewordenen Klage auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch genommen. In einem Teilvergleich vom 4.5.2005 haben sich die Parteien über den Unterhalt bis Dezember 2004 und ab Juli 2005 geeinigt. Ab Juli 2005 ist der nacheheliche Unterhalt auf der Grundlage des Erwerbseinkommens des Beklagten unter Abzug einer Kreditrate sowie des Tabellenunterhalts für die gemeinsame Tochter und ein weiteres, am 16.5.2004 geborenes Kind des Beklagten mit monatlich 688 EUR errechnet worden. Mit dem angefochtenen Urteil hat das AG der Klägerin für die Zeit von Januar bis Juni 2005 einen Gesamtunterhalt von 2.136,81 EUR zugesprochen, und zwar monatlich 312,42 EUR von Januar bis März und monatlich 399,85 EUR von April bis Juni. Dabei sind - abweichend von der Berechnung ab Juli 2005 - auf Seiten der Klägerin eigene Einkünfte berücksichtigt worden, und zwar Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II i.H.v. monatlich 575,77 EUR, die die Klägerin aufgrund eines Bescheids der Region Hannover - Fachbereich Soziales - vom 27.12.2004 (neben einem Betrag von 78.78 EUR für die Tochter D.) erhalten hat (Bl. 65 d.A.). Das AG ist davon ausgegangen, dass die Grundsicherungsleistungen bedarfsdeckend zu berücksichtigen sind, da der Beklagte vom Leistungsträger nicht mehr in Rückgriff genommen werden könne.
Mit ihrer Berufung wendet die Klägerin ein, bei der Grundsicherung handele es sich um eine subsidiäre Sozialleistung. Es müsse immer noch damit gerechnet werden, dass der Leistungsträger die Unterhaltsansprüche der Klägerin auf sich überleite.
II. Die angefochtene Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zwar handelt es sich bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die die Klägerin (in Form von Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II und Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II) von Januar bis Juni 2005 bezogen hat, um Sozialleistungen, die grundsätzlich gegenüber gesetzlichen Unterhaltsansprüchen subsidiär sind. Entgegen der Auffassung des AG war der Leistungsträger im vorliegenden Fall auch nicht gehindert, rückwirkend Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten für den genannten Zeitraum durch schriftliche Anzeige an den Beklagten auf sich überzuleiten. Denn nach § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II i.V.m. § 1613 BGB kann der Leistungsträger den Übergang von Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit insoweit bewirken, als der Unterhaltsverpflichtete vom Berechtigten in Verzug gesetzt worden war. Die Bezugnahme auf § 1613 BGB bedeutet keine Beschränkung der Überleitungsmöglichkeit auf Unterhaltsansprüche zwischen Verwandten. Der Beklagte ist vorliegend durch die Klageschrift vom 3.11.2004 hinsichtlich eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 797,42 EUR in Verzug gekommen.
Leistungen, die der Unterhaltsberechtigte nach den §§ 19 ff. SGB II bezogen hat, sind jedoch ausnahmsweise als Einkommen zu behandeln, wenn die Nichtberücksichtigung der Leistungen treuwidrig wäre (vgl. BGH FamRZ 1999, 843; v. 27.9.2000 - XII ZR 174/98, BGHReport 2001, 382 = MDR 2001, 694 = FamRZ 2001, 619; Unterhaltsleitlinien des OLG Celle, 2.2). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Obwohl die Klägerin den Leistungsträger (pflichtgemäß) darüber informiert hat, dass sie den Beklagten gerichtlich auf Unterhalt in Anspruch genommen hat, ist eine Überleitung der Unterhaltsansprüche der Klägerin für die Zeit von Januar bis Juni 2005 bis jetzt nicht erfolgt. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 2.5.2005 (S. 2, Bl. 69 d.A.) selbst vorgetragen, der Leistungsträger habe ihr die Auskunft gegeben, es seien "bisher keine Überleitungsanzeigen ergangen" und es könnten "infolge des hohen Arbeitsanfalls seit Inkrafttreten von Hartz IV und auch schon davor sowie des Mangels an entsprechend ausgebildeten Fachkräften ... die Überleitungsanzeigen von der ArGe nicht so zeitnah erlassen werden, wie dies für die Unterh...