Leitsatz (amtlich)

Dem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, weil dieses Verfahren dann einzustellen ist (§ 207 Abs. 1 InsO) und die Führung des beabsichtigten Rechtsstreits nicht mehr zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört.

Bei der Beurteilung, ob die Kosten des Insolvenzverfahrens aus der Insolvenzmasse gedeckt werden können, ist die Forderung, für deren Verfolgung die Prozesskostenhilfe begehrt wird, nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

ZPO § 116; InsO § 207

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 16.05.2012; Aktenzeichen 1 O 164/11)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 07.02.2013; Aktenzeichen IX ZB 73/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 14.6.2012 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Hannover vom 16.5.2012 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen den Beschluss des LG, mit dem dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Klage verweigert worden ist, erweist sich als unbegründet.

I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... GmbH. Er begehrt Prozesskostenhilfe für eine gegen die Alleingesellschafterin der Schuldnerin beabsichtigte Klage, durch die er ihr gegenüber einen Anspruch auf Einzahlung der zweiten Hälfte der Stammeinlage i.H.v. EUR 12.782,30 durchsetzen möchte, nachdem er diese Forderung erfolglos durch seine Zahlungsaufforderung an die Antragsgegnerin vom 27.10.2011 (Anlage K 4) fällig gestellt habe. Das LG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da die Voraussetzungen, unter denen dem Insolvenzverwalter gem. § 116 ZPO Prozesskostenhilfe bewilligt werden könne, nicht vorlägen. Infolge der Massearmut gehöre die Durchsetzung des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs nicht mehr zu den gesetzlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters, weshalb die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausscheide. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II. Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das LG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht versagt hat.

1. Der Senat konnte entscheiden, obwohl das LG keine Abhilfeentscheidung hat treffen können, weil die sofortige Beschwerde direkt beim OLG eingelegt worden ist und das Abhilfeverfahren keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung durch das Beschwerdegericht ist.

2. a) Dem Antragsteller steht Prozesskostenhilfe deshalb nicht zu, weil das Insolvenzverfahren als massearm anzusehen und einzustellen ist, weshalb die Führung des beabsichtigten Rechtsstreits nicht (mehr) zu den Aufgaben des Antragstellers gehört. In der Insolvenzmasse befindet sich nach Darstellung des Antragstellers kein Guthaben. Die Insolvenzverfahrenskosten hat der Antragsteller hingegen mit EUR 10.275,76 beziffert, weshalb feststeht, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um diese zu decken.

Die Forderung, die der Antragsteller durch den Rechtsstreit durchsetzen möchte, ist bei der Feststellung der Massearmut nicht zu berücksichtigen, weil Ansprüche, die mit zweifelhaftem Ergebnis nur im Prozesswege durchzusetzen sind, bei der Ermittlung der Insolvenzmasse außer Betracht bleiben müssen (Uhlenbruck/Ries, InsO, 13. Aufl., § 207 Rz. 2 m.w.N.), da ein realer Gegenwert noch nicht vorhanden ist. Da das Gesetz hier die alsbaldige Einstellung des Insolvenzverfahrens fordert (§ 207 Abs. 1 InsO), ist der Insolvenzverwalter zur Führung des vorliegenden Rechtsstreits weder verpflichtet noch berechtigt. Bei dieser Sachlage kann der Antragsteller Prozesskostenhilfe nicht erhalten, weil dann, wenn sich die Massearmut herausgestellt hat, nur noch die vorhandene liquide Masse - zu der bestrittene Forderungen nicht gehören - verteilt wird und naheliegende und risikolose Verwertungsmaßnahmen ergriffen werden. Die Durchsetzung des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs gehört nicht mehr zu seinen gesetzlichen Aufgaben (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2009 - IX ZB 221/08). Wenn sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht einmal ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, hat das Insolvenzgericht, sofern nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden, das Verfahren einzustellen (§ 207 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen. Bis zur Einstellung des Verfahrens bleibt er zwar zur Verwaltung der Insolvenzmasse berechtigt und verpflichtet, er mag auch noch befugt sein, naheliegende Verwertungsmöglichkeiten zu nutzen. Ein Rechtsstreit stellt aber keine naheliegende und risikolose Verwertungsmaßnahme dar, weil er typischerweise beträchtliche Zeit in Anspruch nimmt und das Risiko birgt, die Masse mit zusätzlichen Kosten zu belasten (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 7 nac...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge