Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht: Betriebsbereites Mitsichführen eines Smartphones als technisches Gerät zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen ("Blitzer-App")
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verbotstatbestand des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO ist erfüllt, wenn ein Fahrzeugführer während der Fahrt ein Mobiltelefon betriebsbereit mit sich führt, auf dem eine sog. "Blitzer-App" installiert und diese App während der Fahrt aufgerufen ist.
2. "Blitzer-Apps" dienen dazu, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen und vor mobilen und/oder stationären Geschwindigkeitsmessungen zu warnen. Wenn der Fahrzeugführer eine solche App während der Fahrt aufgerufen hat, ist auch sein Smartphone dazu bestimmt, Geschwindigkeitsmessungen anzuzeigen.
Normenkette
StVG § 24; StVO § 23 Abs. 1b Sätze 1-2, § 49 Abs. 1 Nr. 22; BKatV § 1 Nr. 247
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2. Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene des vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges bei gleichzeitigem betriebsbereiten Mitsichführen eines für die Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten technischen Gerätes schuldig ist.
4. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil vom 29. Juni 2015 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges bei gleichzeitigem betriebsbereitem Mitsichführen eines für die Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten technischen Geräts in Tateinheit mit fahrlässiger Behinderung eines anderen im Straßenverkehr und in Tateinheit mit dem fahrlässigen Nichtanzeigen eines Fahrstreifenwechsel mittels Fahrrichtungsanzeigers zu einer Geldbuße in Höhe von 75,00 Euro verurteilt.
In verkehrsrechtlicher Hinsicht ist der Betroffene einmal vorbelastet: Im Mai 2014 verhängte die Zentrale Bußgeldstelle M. wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 37 km/h eine Geldbuße von 120 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot.
Nach den getroffenen Feststellungen zur Sache fuhr der Betroffene am 15. November 2014 gegen 9:45 Uhr mit seinem Pkw Mercedes-Benz, amtliches Kennzeichen xxx, in der Gemarkung W. bei der Anschlussstelle W./West auf die Bundesautobahn 39 in Fahrtrichtung H. auf. Beim Wechsel von der Beschleunigungsspur auf den rechten Fahrstreifen betätigte der Betroffene nicht den Fahrtrichtungsanzeiger und zog sofort auf die linke Fahrbahn herüber. Hierdurch wurde ein auf dem linken Fahrstreifen von hinten herannahendes Fahrzeug zum Abbremsen gezwungen. Während der Fahrt führte der Betroffene sein internetfähiges Smartphone bei sich. Dieses war am Armaturenbrett in einer gesonderten Halterung befestigt und auf dem Gerät war eine sog. "Blitzer-App" - Blitzer.de - der Firma C. installiert. Diese App dient dazu, Autofahrer während der Fahrt vor stationären und mobilen Geschwindigkeitsmessgeräten zu warnen. Hierfür ist eine GPS-Verbindung erforderlich, die nach dem Starten der App mit dem Smartphone herzustellen ist. Ist dies geschehen, zeigt das Gerät vor dem Passieren einer Messstelle die bei dem Betreiber hinterlegten Geschwindigkeitsmessanlagen an. Der Betroffene hatte die App während der Fahrt aufgerufen und eine GPS-Verbindung hergestellt, so dass sich die App in Betrieb befand.
Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Gericht aus, der Betroffene habe die Fahrereigenschaft eingeräumt. Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte K. habe den Sachverhalt wie festgestellt bekundet. Der Zeuge habe angegeben, mit seiner Kollegin bereits auf der BAB 39 gefahren zu sein, als der Betroffene ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers an der Anschlussstelle W./West in Fahrtrichtung H. auf die Autobahn aufgefahren sei. Der Betroffene sei in einem Zug auf den linken Fahrstreifen gewechselt, wodurch ein nachfolgender Pkw mäßig bremsen musste. Aus diesem Grund hätten sich seine Kollegin und er zur Verkehrskontrolle entschieden und den Betroffenen auf einem nahe gelegenen Parkplatz angehalten. Hierbei bemerkten sie das Smartphone des Betroffenen in einer Halterung am Armaturenbrett. Der Zeuge habe auf dem Display eine Blitzer-App erkannt, die er selbst - allerdings nur als Beifahrer - benutze und daher in ihrer Handhabung kenne. Die Oberfläche der App, die er gesehen habe, werde nur dann erzeugt, wenn die App in Betrieb sei, also nach Herstellung einer GPS-Verbindung. Befahre das Fahrzeug dann eine Strecke, für die bei dem Betreiber ein stationäres oder mobiles Geschwindigkeitsmessgerät hinterlegt sei, werde vom Smartphone ein Warnsignal ausgegeben. Auch wenn er nicht sagen könne, wie der Betreiber die Daten der Geschwindigkeitsmessgeräte konkret sammle, sei er sich der geschilderten Funktionsweise sicher. Der Zeuge K. habe weiter erklärt, nach der Sachverhaltsaufnahme zu Hause noch einmal überprüft zu haben, ob die App m...