Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweitschuldnerhaftung des Anschlussberufungsklägers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einlegung einer unselbständigen Anschlussberufung begründet eine Kostenschuld im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG.

2. Wird die Berufung zurückgenommen und ist eine Zwangsvollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens erfolglos geblieben oder erscheint aussichtslos (§ 31 Abs. 2 Satz 1 GKG), kann der Anschlussberufungskläger als Zweitschuldner (vgl. § 31 Abs. 1 und 2 GKG) in Anspruch genommen werden.

3. Der Anschlussberufungskläger haftet in diesem Fall in Höhe einer nach dem Wert seiner Anschlussberufung berechneten und infolge der Berufungsrücknahme reduzierten Verfahrensgebühr.

 

Normenkette

GKG §§ 22, 29, 31; ZPO § 524

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 3 O 114/21)

 

Tenor

Die Erinnerung des Klägers und Anschlussberufungsklägers vom 12. Juni 2023, beim Oberlandesgericht eingegangen auf elektronischem Wege am selben Tage, gegen den Kostenansatz in der Kostenrechnung der Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Mai 2023 (Kassenzeichen XXX) wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Erinnerung, über die das Oberlandesgericht als dasjenige Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind, durch den - nach Übertragung durch den nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts zuständigen Einzelrichter des 2. Zivilsenats - der Senat zu entscheiden hatte, hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Kostenbeamtin in der angefochtenen Kostenrechnung für das vor dem Oberlandesgericht durchgeführte Berufungsverfahren eine Verfahrensgebühr in Höhe von insgesamt 364,- EUR auf der Grundlage von Nr. 1222 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG in Ansatz gebracht.

Der Kläger und Anschlussberufungskläger ist Kostenschuldner im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG, der zusammen mit der Beklagten zu 2 als Entscheidungsschuldnerin (§ 29 Nr. 1 GKG) auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 GKG als Gesamtschuldner haftet. Die Einwendungen des Klägers und Anschlussberufungsklägers gegen seine Inanspruchnahme als sogenannter Zweitschuldner gehen sämtlichst fehl.

1. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG schuldet in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Kosten derjenige, der das Verfahren des Rechtszugs beantragt hatte. Auch eine unselbstständige Anschlussberufung stellt ein Verfahren des Rechtszugs im Sinne von § 22 GKG dar. Zwar stellt die Anschlussberufung kein eigentliches Rechtsmittel dar. Es handelt sich nur um ein Angriffsmittel innerhalb eines vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels (HK-ZPO/Wöstmann, 9. Aufl., § 524 Rn. 1).

Die Beantwortung der Frage, wie unselbständige Anschlussberufungen prozessual zu behandeln sind, ist aber strikt von der Beantwortung der Frage zu trennen, wie Anschlussberufungen im kostenrechtlichen Sinne zu behandeln sind (siehe überzeugend OLG Düsseldorf NJW 1968, 410 [OLG Düsseldorf 17.05.1967 - 10 W 37/67]). Demgemäß entspricht es ganz allgemeiner Meinung, dass die Einlegung einer Anschlussberufung eine Kostenschuld als Antragsteller im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG begründet (siehe Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 5. Aufl., § 22 GKG Rn. 9; Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 22 Rn. 13). Auch der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2015 (Az.: X ZR 54/11) ausdrücklich klargestellt, dass als Kostenschuldner gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG auch derjenige anzusehen ist, der eine Anschlussberufung gegen ein Urteil eingelegt hat. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es allein darauf ankommt, ob ein Verfahren beantragt worden ist oder nicht. Demgemäß spielt es auch keine Rolle, dass die Durchführung der Anschlussberufung als unselbständiges Rechtsmittel nach § 524 Abs. 4 ZPO davon abhängig ist, dass die Berufung nicht zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird (BGH, aaO, zitiert nach juris Rn. 7).

2. Gemäß § 31 Abs. 1 GKG haften mehrere Kostenschuldner als Gesamtschuldner. Ob und in welchem Umfang eine Gesamtschuldnerschaft besteht, ist nach allgemeinen Regeln und zwar den §§ 421ff. BGB zu beurteilen (siehe Meyer, GKG/vom GKG 2016, 15. Aufl., § 31 Rn. 4). Der Anspruch muss sich also gegen mehrere Schuldner richten, der Gläubiger darf die Leistung lediglich einmal fordern und es ist eine Identität des Leistungsinteresses erforderlich (siehe Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 121 Rn. 6). Denn nur dann kann die Feststellung getroffen werden, dass die mehreren Schuldner auch gerade dieselbe Kostenschuld zahlen sollen (vgl. Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 52. Auflage, § 31 GKG Rn. 9).

a) Im vorliegenden Fall ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Einlegung der Anschlussberufung zu einer Erhöhung des Streitwertes geführt hat. Gemäß § 45 Abs. 2 GKG sind für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3 entsp...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?