Leitsatz (amtlich)
1. Wird zur Durchsetzung von Schutzmaßnahmen nach dem GewSchG originäre Ordnungshaft (mit einer konkreten Haftdauer) angeordnet, bedarf es zu dessen Vollzug nicht des Erlasses eines Haftbefehls, weil die Haft bereits durch den Beschluss über die Ordnungshaft unmittelbar verhängt wurde.
2. Eine gegen den Haftbefehl gerichtete Beschwerde ist unzulässig, auch wenn dieser mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, weil der Haftbefehl keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat.
3. Der Erlass eines Haftbefehls ist jedoch möglich, um einen reibungslosen Vollzug der Ordnungshaft zu gewährleisten.
Verfahrensgang
AG Cuxhaven (Aktenzeichen 11 F 1092/22) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts - Familiengericht - Cuxhaven vom 5. Mai 2023 wird als unzulässig verworfen.
II. Eine Gerichtsgebühr nach Nr. 1912 KV FamGKG wird nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten hat der Antragsgegner zu tragen.
Gründe
I. Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Otterndorf mit Beschluss vom 11. Januar 2022 Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Antragsgegner - u.a. ein Näherungs- und Kontaktverbot - erlassen, die es bis zum 10. Januar 2023 befristet hat.
Mit Beschluss vom 28. März 2022 hat das Amtsgericht Otterndorf das Verfahren an das Amtsgericht Cuxhaven abgegeben.
Am 30. März 2022 hat die Antragstellerin beantragt, gegen den Antragsgegner Ordnungshaft zu verhängen. Zur Begründung hat sie detailliert ausgeführt, dass der Antragsgegner ihr mehrfach aufgelauert sowie sie verletzt habe. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. April 2022 gegen den Antragsgegner Ordnungshaft von 28 Tagen festgesetzt. Diese Ordnungshaft hat der Antragsgegner am 21. Juni 2022 angetreten und bis zum 18. Juli 2022 verbüßt.
Am 3. August 2022 hat die Antragstellerin erneut beantragt, gegen den Antragsgegner Ordnungshaft festzusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Antragsgegner habe sie bereits wieder am 20. und am 27. Juli 2022 an ihrer Wohnschrift aufgesucht und er habe sie beleidigt sowie bedroht.
Am 19. August 2022 hat das Amtsgericht einen Beschluss mit folgender Beschlussformel erlassen:
Gegen den Antragsgegner wird wegen Verstoßes gegen die Unterlassungsanordnung gemäß Beschluss des Amtsgerichts Otterndorf vom 11.01.2022 (Az. 7 F 17/22 EAGS) Ordnungshaft von fünf Monaten festgesetzt.
Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 13. Februar 2023 (21 WF 6/23) als unzulässig verworfen, weil die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht gewahrt worden war.
Der Antragsgegner wurde mit Schreiben vom 6. März 2023 aufgefordert, die Ordnungshaft spätestens bis zum 1. April 2023 in der Justizvollzugsanstalt ... anzutreten. Dem ist der Antragsgegner nicht nachgekommen.
Am 5. Mai 2023 hat das Amtsgericht einen Haftbefehl erlassen, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt war. Der Haftbefehl lautete wie folgt:
In der Familiensache [...] wird gegen den Antragsgegner die Haft angeordnet.
Wegen des weiteren Inhalts wird auf den Haftbefehl vom 5. Mai 2023 Bezug genommen.
Nachdem der Antragsgegner daraufhin am 10. Mai 2023 verhaftet und der Justizvollzugsanstalt ... zugeführt worden war, wendet er sich mit der sofortigen Beschwerde vom 24. Mai 2023 gegen den Haftbefehl. Zur Begründung wird insbesondere angeführt, der Haftbefehl sei unverhältnismäßig. Wegen des weiteren Inhalts wird auf den Beschwerdeschriftsatz Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist nicht zulässig.
Nach § 87 Abs. 4 FamFG ist zwar gegen Beschlüsse, die im Vollstreckungsverfahren ergehen, die sofortige Beschwerde statthaft. Nicht anfechtbar sind allerdings Beschlüsse, die rein deklaratorischen Charakter haben und keinen eigenen Regelungsinhalt aufweisen. Dies ist bei dem hier angefochtenen Haftbefehl, dem ein die originäre Ordnungshaft anordnender Beschluss vorausgegangen ist, der Fall.
1. Die Haftanordnung ist durch den die originäre Ordnungshaft festsetzenden Beschluss vom 19. August 2022 erfolgt.
Im Rahmen der Vollstreckung nach den §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG, 890 ZPO ist insoweit zwischen der Ersatzordnungshaft und der originären Ordnungshaft zu differenzieren. Während eine Ersatzordnungshaft mit dem Ordnungsgeldbeschluss in der Regel nur bezüglich des Umrechnungsfaktors und lediglich unter dem Vorbehalt, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, festgesetzt wird, wird die originäre Ordnungshaft unmittelbar verhängt (Cirullies, DGVZ 2017, 81, 83).
Daran ändert der hier für die Beschlussformel gewählte Wortlaut ("Ordnungshaft [...] festgesetzt") nichts. Die Begriffe "anordnen" und "festsetzen" werden in diesem Zusammenhang, wie sich etwa auch aus § 89 Abs. 1 und 4 FamFG ergibt, synonym verwendet (s. auch Sieghörtner, in: BeckOK FamFG, 46. Edition, Stand: 02.04.2023, § 89 Rn. 14).
2. Der Haftbefehl vom 5. Mai 2023, der dahingehend lautet, dass gegen den Antragsgegner die Haft angeordnet wird, hat hi...