Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenrechtliche Folgen einer überhöhten Wertfestsetzung bei Prüfung einer nachträglichen Zahlungsanordnung nach § 120a Abs. 1 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Einigen sich die Beteiligten in einem Verfahren über den eigentlichen Streitgegenstand hinausgehend auf die Veräußerung der gemeinsamen Immobilie, richtet sich der Gegenstandswert im Verfahren nicht nach dem geschätzten Verkaufswert des Objekts, sondern danach, worüber zwischen den Beteiligten eine Streitigkeit oder eine Ungewissheit im Verfahren bestand, die mit der Einigung beendet wurde.
2. Jedenfalls in Fällen, in denen ein offenkundig falscher, aber inzwischen bestandskräftiger Wertfestsetzungsbeschluss vorliegt, ist die Staatskasse ausnahmsweise nicht dazu verpflichtet, eine aus diesem Grund deutlich überhöhte Wahlanwaltsvergütung nach § 50 Abs. 1 RVG mittels einer nachträglichen Zahlungsanordnung nach § 120a Abs. 1 ZPO zulasten des Beteiligten durchzusetzen.
Normenkette
RVG § 50 Abs. 1; ZPO § 115 Abs. 3, § 120a Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 605 F 1636/17) |
Tenor
wird auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 11. September 2020 teilweise geändert und in Abänderung des Verfahrenskostenhilfebeschlusses vom 24. Mai 2017 dahingehend gefasst, dass eine Zahlung aus ihrem Vermögen in Höhe von 5.787,34 EUR angeordnet wird, die spätestens bis zum 31. Januar 2021 zu leisten ist. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.
Gründe
I. In dem - zwischenzeitlich beendeten - Unterhaltsverfahren ist der Antragstellerin mit Beschluss vom 24. Mai 2017 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt worden. Für das Verfahren erster Instanz ist mit Beschluss vom 30. Oktober 2018 ein Verfahrenswert von 18.420 EUR festgesetzt worden. Mit Beschluss vom 24. Januar 2019 ist die der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf einen im Güterichterverfahren von den Beteiligten geschlossenen Mehrvergleich erstreckt worden, in welchem sich die Beteiligten unter anderem darauf geeinigt hatten, dass sie ihre im hälftigen Miteigentum stehende Immobilie in H. veräußern wollen. Dabei sind sie von einem Verkaufspreis von etwa 350.000 EUR ausgegangen und der Erlös sollte nach Abzug der Gesamtschulden hälftig geteilt werden. Von dem Erlösanteil der Antragstellerin sollten zur Abgeltung von Zugewinnausgleichsansprüchen des Antragsgegners 10.000 EUR direkt an ihn und weitere je 5.000 EUR an die beiden Kinder der Beteiligten fließen. Den Wert des "Mediationsverfahrens" sowie des dort geschlossenen Vergleichs hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. November 2018 auf jeweils bis 350.000 EUR festgesetzt, was nicht angefochten worden ist.
Nachdem die Immobilie der Beteiligten am 13. Juni 2019 veräußert worden ist und der Antragstellerin aus dem Erlös 60.000 EUR zugeflossen sind, hat ihr damaliger Verfahrensbevollmächtigte die nachträgliche Festsetzung der Regelvergütung nach § 50 RVG in Höhe von 11.983,66 EUR abzüglich der VKH-Vergütung nach § 49 RVG in Höhe von 1.089,44 EUR sowie 1.011,50 EUR, also von 9.882,71 EUR begehrt. Mit Verfügung vom 16. Dezember 2019 ist die Antragstellerin durch die Rechtspflegerin darauf hingewiesen worden, dass die Anordnung einer Einmalzahlung zur Begleichung ihrer Verfahrenskosten aus dem zwischenzeitlichen Vermögenszufluss beabsichtigt sei. Nach Berechnung dieser Verfahrenskosten wurde ergänzend mit Verfügung vom 4. Juni 2020 mitgeteilt, dass sich die Einmalzahlung voraussichtlich auf 12.189,53 EUR (zusammengesetzt aus 2.306,82 EUR anteiliger Gerichtskosten sowie der anwaltlichen VKH-Vergütung und 9.882,71 EUR Wahlanwaltskosten nach § 50 RVG) belaufen werde. In ihrer Stellungnahme hat die Antragstellerin statt einer Einmalzahlung um die Anordnung von Raten gebeten, weil sie aus dem Vermögen ihren allgemeinen Lebensunterhalt sowie denjenigen der beiden Kinder bestreiten müsse. Diesem Ansinnen ist ihr Verfahrensbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 8. September 2020 entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 11. September 2020 hat das Amtsgericht eine Nachzahlungsanordnung in Höhe von 12.189,53 EUR nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 120a Abs. 1 ZPO gegenüber der Antragstellerin erlassen, welche bis zum 15. Oktober 2020 an die Gerichtskasse zu leisten sei. Das erworbene Vermögen aus dem Verkauf des Hauses überschreite deutlich das Schonvermögen von 5.000 EUR und eine Ratenzahlung könne mangels Zustimmung ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht angeordnet werden.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 19. Oktober 2020 eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit welcher sie ihr Begehren nach einer Ratenzahlungsanordnung aus den bereits vorgetragenen Gründen weiterverfolgt. Ihr sei es nicht zumutbar, das erworbene Vermögen zur Zahlung der Verfahrenskosten einzusetzen, weil sie als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern ohne andere Unterstützung ...