Leitsatz (amtlich)
1. Die nachträgliche Errichtung einer dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügenden Vereinbarung entfaltet nur Wirkung ex nunc. Dies folgt mit Rücksicht auf die Regelung in § 311 BGB zur Heilung von formnichtigen Rechtsgeschäften bei Nichteinhaltung der notariellen Beurkundung aus einem argumentum a fortiori.
2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Treuwidrigkeit von Kündigungen wegen Einhaltung der Schriftform in Fällen der Existenzgefährdung findet auch auf Kapitalgesellschaften Anwendung.
3. § 314 Abs. 3 BGB ist bei der Kündigung von Gewerberaummietverhältnissen nicht anwendbar.
Normenkette
BGB §§ 242, 314 Abs. 3, §§ 535, 543 Abs. 3, § 550
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 10.02.2023; Aktenzeichen 5 O 193/21) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Februar 2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, bis zum 24. Juli 2023 Stellung zu nehmen und gegebenenfalls ihre Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten im K. Klinikum in Anspruch, welche eine GbR als Rechtsvorgängerin der Beklagten von der Klägerin angemietet hatte.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Februar 2023 (Bl. 164ff. d.A.), insbesondere die Wiedergabe des Parteivortrags und die gestellten Anträge mit nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen.
Die Klägerin sprach mit Anwaltsschreiben vom 2. März 2023 (Anlage K 11) eine weitere fristlose Kündigung unter Hinweis darauf aus, dass sich die Beklagte mit einem Betrag in Höhe von 31.978,26 EUR und damit mehr als zwei Monatsmieten in Zahlungsverzug befunden habe.
Das Landgericht hat die Beklagte mit dem am 10. Februar 2023 verkündeten Urteil zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB zustehe, nachdem die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 26. April 2021 zum 31. Dezember 2021 beendet hatte. Diese Kündigung sei wirksam, weil das Mietverhältnis aufgrund eines Verstoßes gegen das Formerfordernis nach § 550 BGB kündbar gewesen sei. Der erste Änderungsvertrag zum Mietvertrag vom 16. Dezember 2015 sei formbedürftig gewesen. Das Formerfordernis sei vorliegend nicht erfüllt worden. Vorliegend hätten sich die Parteien über den Inhalt des Änderungsvertrages nur mündlich geeinigt. Zwar könnten Unterschriften später mit der Folge nachgeholt werden, dass die nachteiligen Wirkungen des Formmangels ex tunc entfallen. Denn mangels Nichtigkeit des Geschäfts finde § 141 Abs. 1 BGB keine Anwendung. Die Formerfüllung sei aus einer Analogie zu den §§ 141 Abs. 2, 184 Abs. 1 BGB herzuleiten.
Die Beklagte habe aber nicht bewiesen, dass die Schriftform rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung durch Unterzeichnung nachgeholt worden sei. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei für das Gericht nicht aufklärbar, zu welchem Zeitpunkt die Gesellschafter der GbR die auf der Anlage B1 ersichtlichen Unterschriften geleistet hätten.
Insbesondere habe das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können, dass diese Unterschriften vor Ausspruch der Kündigung vom 26. April 2021 erfolgt seien. Die vernommenen Zeugen hätten keine zuverlässigen Angaben dazu machen können, wann der Änderungsvertrag unterzeichnet worden sei. Hinzu komme, dass die Unterschriften der Dres. nicht mit einem Datum versehen seien, was im Geschäftsverkehr bei Abschluss wichtiger Verträge wie einem Mietvertrag über Praxisräume mehr als ungewöhnlich sei. Ungewöhnlich sei ferner, dass für die behauptete Übersendung des Vertrages an die Klägerin kein Nachweis existiere.
Die Kündigung sei auch nicht durch § 20 Abs. 2 des Mietvertrages ausgeschlossen gewesen. Diese Schriftformheilungsklausel sei mit § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam.
Der Klägerin sei es auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Schriftformverstoß zu berufen. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führe, könne es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn die eine Partei sich darauf berufe, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Eine solche Ausnahmekonstellation liege im Streitfall nicht vor. Die Klägerin habe die Mieterin nicht schuldhaft von der Wahrung der Schriftform abgehalten. Die Klägerin habe auch nicht eine ihr lediglich vorteilhafte Änderung zum Anlass genommen, sich von dem Vertrag zu lösen. Es stelle auch keine schwere Treuepflichtverletzung dar, dass die Klägerin die ehemalige Mieterin nach der Ausübung des Optionsrechts nicht auf den Verstoß gegen die Schrift...