Leitsatz (amtlich)
1. Das Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) hat für das Betragsverfahren Bindungswirkung, soweit es den Klageanspruch bejaht hat und dessen Höhe durch den anerkannten Klagegrund gerechtfertigt ist.
2. Aufgrund der Bindungswirkung des Grundurteils sind im folgenden Betragsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die den Feststellungen des Grundurteils widersprechen würden. Denn diese sind im Grundurteil bereits abschließend festgestellt und für das Betragsverfahren somit bindend.
3. Lässt der Auftraggeber die Mängel tatsächlich und vollständig beseitigen, so kann er den Schaden nicht mehr fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens, sondern nur nach dem tatsächlich angefallenen Kostenaufwand abrechnen.
4. Eine Kürzung des Schadensersatzanspruches unter dem Gesichtspunkt eines Abzuges "neu für alt" kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn diese Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste. Der Auftragnehmer darf dadurch, dass der Vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 13.07.2017; Aktenzeichen 25 O 3/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.07.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weiter
gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 283.605 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2002 zu zahlen und ferner Zinsen in Höhe von 5 Prozent
punkten über dem Basiszinssatz auf weitere 157.022,50 EUR seit dem 29.11.2002 bis zum 15.01.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 21 % einschließlich der der Streithelferin, die Beklagte zu 79 % mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin, die diese insoweit selbst zu tragen hat. Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt die Klägerin zu 25 % einschließlich der Kosten der Streithelferin, die Beklagte zu 75 % mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin, die diese insoweit selbst zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Berufung: 402.327 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem im Jahr 1999 geschlossenen Generalunternehmervertrag über die Errichtung des Gebäudekomplexes Nahversorgungszentrum in H., weil die nach dem Vertrag geschuldeten Dacheindeckungsarbeiten der Beklagten mangelhaft ausgeführt worden seien.
Durch rechtskräftiges Grundurteil vom 09.09.2010 hat das Landgericht dahin entschieden, dass die Beklagte "dem Grunde nach verurteilt wird, Schadensersatz an die Klägerin zu leisten bezüglich der Kosten, die erforderlich sind, um die gesamten Dachflächen des Nahversorgungszentrums in der W. S./Ecke O. in den nach dem geschlossenen GU Vertrag vom 09.08.1999 vereinbarten Zustand zu versetzen". Der Senat hat die Berufung der Beklagten durch Beschluss vom 07.04.2011 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO rechtskräftig zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte Grundurteil des Landgerichts und auf die Beschlüsse des Senats vom 15.03.2011 und 07.04.2011 verwiesen. Die Parteien streiten nunmehr über die Höhe des nach dem Grundurteil zu zahlenden Schadensersatzes, den die Klägerin ursprünglich auf insgesamt 581.815,52 EUR beziffert hat.
Hinsichtlich einer Teilforderung der Klägerin über ursprünglich 19.219,37 EUR haben die Parteien einen Teilvergleich geschlossen (Blatt 1031). Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte am 15.01.2016 einen Betrag von 157.022,50 EUR als von ihr als angemessen angesehenen Betrag für die zwischenzeitliche Sanierung des Dachbereiches HT gezahlt. Insoweit hat die Klägerin den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt; die Beklagte hat sich dem angeschlossen.
Das Landgericht hat nach weiterer Beweiserhebung die Klage in Höhe von 402.347,50 EUR nebst Zinsen für begründet gehalten und die weitergehende Klage abgewiesen.
Es geht davon aus, dass das Grundurteil in Verbindung mit den Beschlüssen des OLG Celle dahin auszulegen sei, dass die Beklagte Schadensersatz nicht nur für die Beseitigung der konkret feststellbaren Schäden an den betreffenden Dächern schulde, sondern in Höhe einer kompletten Neueindeckung der Dächer. Dies ergebe sich aus der Bindungswirkung des Grundurteils und dessen Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen. Demgemäß seien in der Folge sämtliche Einwendungen ausgeschlossen, die vor Erlass des Grundurteils hätten geltend gemacht werden können. Dies gelte insbes...