Leitsatz (amtlich)
Eine Werbung ist unwahr und damit strafbar gem. § 4 UWG a.F. bzw. § 16 UWG n.F., wenn die sog. Korrektur (oder Einschränkung) des Hauptwerbetextes auf der Anzeige/Werbung praktisch nicht wahrnehmbar ist.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 11.02.2004; Aktenzeichen 5342 Js 15319/03) |
Tenor
Das Urteil des LG Hannover v. 11.2.2004 wird aufgehoben.
Der Angeklagte ist wegen strafbarer Werbung gem. § 4 Abs. 1 UWG schuldig.
Zum Rechtsfolgenausspruch wird das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des LG Hannover zurückverwiesen.
Gründe
Das AG hatte den Angeklagten wegen strafbarer Werbung zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt und dabei als gesetzliche Grundlage § 4 Abs. 1 UWG herangezogen.
Das LG hat durch sein Urt. v. 11.2.2004 den Angeklagten vom Vorwurf der strafbaren Werbung gem. § 4 Abs. 1 UWG freigesprochen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft.
Das LG hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte veranlasste als Geschäftsführer der Firma ... GmbH durch Anzeigenvertrag v. 16.4.2002 in der Ausgabe Nr. 5 der russischsprachigen Zeitschrift "Rayonka" eine Werbeanzeige in russischer Sprache, die sich überwiegend an in Deutschland lebende russisch-stämmige Bürger wendet. Der Text dieser Anzeige lautete (in deutscher Übersetzung):
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Die Gesprächsdauer ist auf 10 Minuten eingeschränkt und nur bis zum 31.5. gültig."
Vertikal zu dieser farbig gestalteten Anzeige wurde am rechten oberen Rand nach den Ausführungen des LG durch Sternzeichen entsprechend den Vorgaben der Regulierungsbehörde auf eine schwer lesbare Weise in der Schriftgröße Nr. 7 und in deutscher Sprache folgender Text abgedruckt:
"Kostenlos die erste 2min Danach 20 Euro pro Verbindung zzg 2,49 Euro/Min"
Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der Anzeige verwies das landgerichtliche Urteil auf die Originalanzeige in Hülle Bl. 18 d.A.. Nach den weiteren Feststellungen lief bei Benutzung der angegebenen Telefonnummern zu Beginn eines jeden Telefonats eine Bandansage in deutscher Sprache, in der darauf hingewiesen wurde, dass das Gespräch ab der dritten Minute kostenpflichtig sei. Der Telefonkunde wurde darauf hingewiesen, dass er nur dann weiter telefonieren könne, wenn er durch Eingeben der Tastenkombination 1 und 9 mit dieser Tatsache sein Einverständnis dokumentiert habe. Erst anschließend wurde die Leitung freigeschaltet.
Das LG führt aus, diese Feststellungen rechtfertigten nicht eine Verurteilung gem. § 4 Abs. 1 UWG.
Zwar habe der Angeklagte in der Absicht gehandelt, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen; die Werbung habe sich auch an einen größeren Kreis von Personen gerichtet und auf die Preisbemessung von gewerblichen Leistungen bezogen; die Angaben seien auch zur Irreführung der potentiellen Kunden geeignet gewesen.
Aber die Angaben in der fraglichen Anzeige seien nicht unwahr gewesen.
Zwar vermittelte die Anzeige auf den ersten Blick den Eindruck, dass bis zu zehn Minuten kostenlos in die angegebenen Länder telefoniert werden könne. Dieser Eindruck werde jedoch durch den in deutscher Sprache formulierten Hinweis, ab der dritten Minute würden 20 Euro zzgl. 2,49 Euro pro Gesprächsminute fällig, korrigiert. Durch diesen Hinweis, der den im Wettbewerbsrecht geltenden Grundsätzen (sie fänden sich in jeder Handy-Werbung wieder) in Schriftgröße usw. entspreche, würde der Inhalt der Anzeige insgesamt wahr i.S.v. § 4 UWG. Die Unwahrheit werde auch nicht dadurch herbeigeführt, dass der seitliche Klarstellungstext in deutscher Sprache abgefasst sei, während der übrige Text in russischer Sprache und an russischsprachige Bürger gerichtet sei. Im Hinblick auf die vorstehend beschriebene Problematik verlange das Wettbewerbsrecht grundsätzlich, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein entsprechender Korrekturtext in deutscher Sprache abzufassen sei; in der Bundesrepublik sei die Amtssprache Deutsch, weswegen in fremdsprachig gestalteten Anzeigen ein deutschsprachiger Korrekturtext nicht als nicht existent angesehen werden könne mit der Folge, dass der "wahre" Inhalt einer Anzeige von dem Inhalt des deutschen Textes nicht beeinflusst werde.
Mit der Revision erhebt die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere rügt sie, dass das LG die in der Anzeige enthaltenen Angaben als nicht unwahr i.S.d. § 4 Abs. 1 UWG angesehen hat.
Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.
Das LG hat zu Recht ausgeführt, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, indem sich die Werbung an einen größeren Kreis von Personen richtete und auf die Preisbemessung von gewerbli...