Leitsatz (amtlich)
Den Unternehmer trifft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sein Werk frei von Mängeln ist, wenn sogenannte Mängelrechte vor der Abnahme geltend gemacht werden. Das trifft aber in erster Linie nur zu, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangt und der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Annahme anbietet und der Besteller nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend macht. Ansonsten gilt, dass der Besteller Mängelrechte gemäß § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 5 O 24/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 19.06.2020 (auch in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13.07.2020) - 5 O 24/16 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer der Klägerin hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 249.950,47 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der beklagten S. A. nicht gezahltes Honorar für Architekten- und Ingenieurleistungen, die die Klägerin im Zuge des Neubaus des Ganzjahresschwimmbads "B. B." in der S. A./L., also für die Beklagte erbracht hat.
Dem zugrunde liegt der Vertrag über Objekt- und Fachplanungsleistungen sowie S. vom 26./27.11.2008 (Anlage K 1 im Anlagenordner I). Mit Datum vom 19.12.2012 legte die Klägerin ihre Schlussrechnung vor, nach der sich eine Gesamtforderung in Höhe von 1.725.213,48 EUR ergab. Abzüglich der geleisteten Zahlungen wurde ein Rechnungsbetrag von 321.573,66 EUR geltend gemacht (vgl. Anlage K 2 im AB I). Die Beklagte zahlte hierauf lediglich 47.573,66 EUR, auf die danach verbliebenen 274.000 EUR erteilte die Klägerin noch eine Gutschrift in Höhe von 77.350 EUR (Anlage 5 AB I) sowie über weitere 1.793,93 EUR (Anlage 6 AB I). Somit verblieb ein Betrag von 194.896,07 EUR aus der Schlussrechnung. Über diese hinaus macht die Klägerin weitere Forderungen für von ihr angesetzte Zusatzleistungen geltend in Höhe von 6.069 EUR (Anlage 7), 11.312,24 EUR (Anlage 8) und 4.080,01 EUR (Anlage 9 im AB I). Die Summe aus dieser Forderung ergibt 216.317,32 EUR.
Die Leistungen im Dach- und Klempnerbereich, für die die Streithelferin der Klägerin zu 1 verantwortlich war, wurden am 18.11.2010 abgenommen. Dabei war auch der Streithelfer zu 2 anwesend.
Im Jahr 2011 ließ die Beklagte ohne Kenntnis und Mitwirkung der Klägerin sowie der Streithelferin zu 1 Betonplatten als Wartungswege durch einen Drittbetrieb auf dem Dach anbringen. Im Sommer 2012 fielen dann verschiedene Mängel am Dach auf. Dies betraf die Abdichtungsbahn, den Dachaufbau und die Dämmmaterialien. Die Beklagte ließ ein Privatgutachten des Zeugen E. erstellen (Anlage S 5 in Bd. 1 Bl. 124 f. d.A., vgl. auch Anlage B 12). Das Dach wurde daraufhin saniert. Die Sanierung wurde von der Klägerin geplant, ausgeschrieben und überwacht. Hierfür fielen Kosten bei der Beklagten in Höhe von 249.950,47 EUR an.
Die Klägerin macht mit der Klage offene Honoraransprüche in Höhe von 216.584,67 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2013 geltend. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Sanierungskosten von 249.950,47 EUR berufen. Diese Forderung stellt sie der Klageforderung unmittelbar entgegen im Wege der Primäraufrechnung. Der überschießende Betrag von 33.365,80 EUR wird im Wege der Widerklage verfolgt.
Die Klage hatte vor dem Landgericht vollständig Erfolg. Die Widerklage wurde insgesamt abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Die Kammer hat sich insoweit auf die gutachterlichen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. G. vom 14.09.2017 und 29.10.2019, zudem auf die mündlichen Erläuterungen im Rahmen der Verhandlung vom 13.04.2018 und 29.05.2020 berufen. Außerdem hat die Kammer den Privatgutachter E. als Zeugen angehört sowie weitere Zeugen.
Danach ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin ihre Leistungen ohne Mängel erbracht hat. Weder lägen Planungs-, noch Ausschreibungs- oder Bauüberwachungsfehler vor. Der Beklagten stünden daher auch keine Schadensersatzansprüche zu. Das betreffe sowohl die materialbedingte Geeignetheit des Dämmmaterials (Druckfestigkeit) als auch die Überwachung der Ver...