Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 12.12.1994; Aktenzeichen 10 O 126/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. Dezember 1994 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Wochen, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, sich gegenüber Mitbewerbern einen wettbewerblichen Vorteil durch Preisunterbietung zu verschaffen, indem sie Arbeitsverträge schließt, in denen die in den §§ 9, 25, 31, 32, 34 und 35 des für allgemein verbindlich erklärten Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereinigerhandwerk vom 6. Mai 1992 geregelten Ansprüche dem jeweiligen Arbeitnehmer nicht zuerkannt werden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Dabei wird der Wert für das Berufungsverfahren in Abänderung der Festsetzung des Senats gemäß Beschluß vom 17. Oktober 1995 auf insgesamt DM 30.000,00 festgesetzt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Beschwer wird für die Beklagte auf DM 15.000,00 festgesetzt.
Gründe
Auf die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist die Beklagte entsprechend dem mit Schriftsatz vom 16. Oktober 1995 angekündigten Hilfsantrag zur Unterlassung zu verurteilen, wobei lediglich in redaktioneller Hinsicht zu ergänzen ist, daß es sich um einen für allgemein verbindlich erklärten Rahmentarifvertrag handelt. Soweit die Klägerin ihren Hauptantrag weiterverfolgt, hat die Berufung keinen Erfolg, ist die Klage abzuweisen.
I.
1. Die Klägerin ist klagebefugt nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Sie ist eine Handwerksinnung im Sinne von § 52 Abs. 1 Handwerksordnung und damit eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne von § 53 Handwerksordnung, von der nach altem Recht (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Rn 30) anerkannt gewesen ist, daß sie als Innung und als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher. Interessen klagebefugt war. Hieran hat sich auch durch die Neuregelung in § 13 Abs. 2 UWG nichts geändert, auch wenn § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG jetzt ausdrücklich vorsieht, daß Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern klagebefugt sein sollen. Hieraus ist aber nicht der Schluß zu ziehen, daß andere Verbände aus entsprechenden Bereichen nicht mehr klagebefugt sein sollen.
Nach den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Oktober 1995 vorgelegten Mitgliederliste und der Satzung der Klägerin ist auch nicht zweifelhaft, daß die übrigen Voraussetzungen des §13 Abs. 2 Nr. 2 UWG gegeben sind. Insbesondere ergibt sich aus diesen Unterlagen, denen die Beklagte auch nicht weiter entgegengetreten ist, daß der Klägerin eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art. auf demselben Markt wie die Beklagte vertreiben. Angesichts der Zahl und der Lokalisation der Mitgliedsunternehmen besteht kein Zweifel, daß die Klägerin für den hier als Markt in Betracht kommenden Bereich in einer solchen Zahl Unternehmen repräsentiert, daß sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen als die nach der Neuregelung vorausgesetzte kollektive Wahrnehmung von Mitgliederinteressen darstellt (zu diesem Sinn und Zweck der Neuregelung siehe BGH, Urteil vom 29. September 1994, – I ZR 138/92 – „Laienwerbung für Augenoptiker” = WRP 1995, 104 ff.).
2. Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung den Hauptantrag verfolgt, wonach der Beklagten untersagt werden soll, Arbeitsverträge zu schließen, in denen die in §§ 9, 25, 31, 32, 34 und 35 des Rahmentarifvertrags geregelten Ansprüche dem Arbeitnehmer nicht zuerkannt werden, besteht allerdings kein Unterlassungsanspruch.
Es ist, soweit ersichtlich, allgemein anerkannt, daß der Verletzung von Lohnregelungen eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrags oder Rahmentarifvertrags nicht unmittelbare wettbewerbliche Relevanz zukommt, weil mit der allgemeinen Verbindlichkeit tarifvertraglicher Regelungen nicht der Schutz von Individualinteressen im Wettbewerb bezweckt wird (vgl. BGH Urteil vom 3. Dezember 1992, – I ZR 276/90 –, „Tariflohnunterschreitung”, Umdruck Seite 11 f. = NJW 1993, 1010 ff. = WRP 1993, 314 ff.; siehe auch OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 103, 104; OLG Frankfurt GRUR 1988, 844). Verletzungen von Tarifverträgen durch Lohnunterschreitungen stellen – ebenso wie die anderer nicht unmittelbar wettbewerbsbezogener und wertneutraler Normen – nur dann einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, wenn sie seitens des Arbeitgebers systematisch zu dem Zweck erfolgen, sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber vertragstreuen Wettbewerbern zu schaffen (BGH a.a.O.). Dementsprechend kommt auch kein Anspruch aus § 1 UWG dahin in Betracht, Tarifvertragsverstöße durch den Abschluß von Arbeitsverträgen, die nicht den tarifvertraglic...