Leitsatz (amtlich)
›1. a) Tarifverträge, die gemäß § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, haben im Zusammenhang mit § 1 UWG die gleiche Bedeutung wie wettbewerbsneutrale Normen ohne sittlich-rechtlichen Gehalt; ihre Verletzung stellt daher nur dann einen Wettbewerbsverstoß dar, wenn sie auf Erlangung eines Wettbewerbsvorteils gegenüber vertragstreuen Mitbewerbern abzielt.
b) Als Wettbewerbsvorteil kann auch in einem lohnintensiven Gewerbe nicht schon die durch eine Tariflohnunterschreitung gewonnene bessere betriebswirtschaftliche Lage des Unternehmens, sondern erst deren Ausnutzung im Wettbewerb durch eine entsprechend günstigere Gestaltung der Leistungsangebote angesehen werden, ohne daß es allerdings auf den Erfolg dieser Angebote im Wettbewerb ankommt.
2. Daß die durch Tariflohnunterschreitung gegebene bessere betriebswirtschaftliche Ausgangslage in die Kalkulation der Leistungsangebote einfließt und nicht anderweitig - wettbewerbsneutral - genutzt wird, hat an sich der einen Wettbewerbsverstoß geltend machende Kläger zu beweisen; auf eine tatsächliche Vermutung kann er sich dabei nicht berufen. Jedoch gelten für die Beweisführung auch insoweit die von der Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungsgrundsätze, denen gemäß der Beklagte nach § 242 BGB verpflichtet sein kann, Angaben über innerbetriebliche und deshalb dem Kläger unzugängliche Vorgänge zu machen, wenn er hierzu unschwer in der Lage ist und die Umstände des Falles - hier eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Ausnutzung der Tariflohnunterschreitung zur Erlangung unlauterer wettbewerblicher Vorteile - eine entsprechende Beweisführungserleichterung nahelegen.‹
Tatbestand
Die Parteien sind in der Büro- und Gebäudereinigungsbranche im Saarland tätig und stehen insbesondere bei Neuausschreibungen um die Vergabe von Reinigungsaufträgen miteinander in Wettbewerb. Sie beschäftigen jeweils eine größere Zahl von Arbeitnehmerinnen, bei denen es sich in der Regel um Teilzeitkräfte handelt.
Im Saarland gilt für das Gewerbe der Parteien ein Lohntarifvertrag, der nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden ist; dieser sieht in seiner ab dem 1. Juni 1988 geltenden Fassung für einfache Unterhaltsreiniger(-innen) einen Ecklohn B in Höhe von 9,09 DM brutto pro Stunde vor; dies entspricht einem Nettolohn von 8,21 DM. Daneben besteht seit dem 1. Januar 1987 ein ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärter Rahmentarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk, aus dem sich für die Beschäftigten Ansprüche auf bestimmte Sonderzahlungen, darunter auf ein zusätzliches Urlaubsgeld (§ 34) sowie auf eine mit dem Novemberlohn auszuzahlende Jahressondervergütung (§ 35), ergeben.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte entlohne die als Teilzeitkräfte beschäftigten Arbeitnehmerinnen untertariflich, da diese entsprechend einer vorgelegten Abrechnung nur 8,-- DM je Stunde erhalten hätten und ihnen auch keine Sonderzahlungen erbracht worden seien. Der Tarifverstoß der Beklagten sei auch wettbewerbswidrig, da sie bewußt und planmäßig die Tarife unterschreite, um sich hierdurch einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Die Beklagte habe in der Vergangenheit wegen des günstigeren Angebots in mehreren Fällen den Zuschlag bei der Vergabe von Reinigungsarbeiten erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, sich gegenüber Mitbewerbern einen wettbewerblichen Vorteil durch Preisunterbietung zu verschaffen, indem sie ihre Arbeitnehmer nicht nach dem Lohntarifvertrag für das Glas- und Gebäudereinigungsgewerbe entlohnt.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, ihre Arbeitnehmerinnen erhielten tatsächlich mehr an Arbeitsentgelt, als in den Tarifverträgen vorgesehen sei, da sie ihren Teilzeitkräften die effektiv gearbeiteten Stunden mit jeweils 1,125 Stunden abrechne. Lege man dies zugrunde, habe sie der Zeugin K. - und entsprechend allen Beschäftigten - statt des ihr nach den Tarifvereinbarungen zustehenden Nettobetrages von 379,83 DM tatsächlich 406,-- DM gezahlt. Ihre Abrechnungsart sei leichter zu handhaben und motiviere ihre Arbeitnehmerinnen in stärkerem Maße. Sie hat bestritten, die Klägerin unterboten zu haben; im Gegenteil sei sie von der Klägerin unterboten worden.
Das Landgericht hat die Beklagte dem Klageantrag entsprechend verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung mit der Maßgabe bestätigt, daß es das Verbot statt auf ›Arbeitnehmer‹ auf ›Teilzeitkräfte‹ bezogen hat.
Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Tarifverstoß der Beklagten bei der Entlohnung der Teilzeitkräfte bejaht und dazu ausgeführt: Der als Teilzeitarbeiterin bei der Beklagten beschäftigten Zeugin K. habe nach dem maßgeblichen Tarifvertrag für November 1988 ein Stundenlohn von 9,09 DM brutto = 8,21 DM netto zugestanden, die Beklagte habe aber der Zeugin und anderen Teilzeitkräften nur 8,-- DM netto ausgezahlt. Das gelte selbst dann, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt werde, daß die Zeugin nicht wie in der Abrechnung ausgewiesen 49,50 Stunden, sondern tatsächlich nur 44 Stunden gearbeitet habe, da sie die auf täglich 2,25 Stunden angesetzte Schichtdauer schon nach zwei Stunden beendet habe. Durch diese tatsächliche Übung sei der tariflich zugrunde gelegte Stundenlohn nicht erreicht worden. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie durch ihre Berechnung mit einer einzelvertraglichen Regelung zugunsten ihrer Teilzeitkräfte von dem Tarifvertrag abgewichen sei (§ 4 Abs. 3 TVG); denn eine derartige Vereinbarung sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht getroffen worden. Danach habe die Beklagte lediglich geduldet, daß die Teilzeitkräfte bereits eine Viertelstunde früher hätten nach Hause gehen dürfen, wenn sie ihre Arbeit in den auf Zweieinviertelstunden angesetzten Schichten beendet gehabt hätten. Die Beklagte habe zudem, auch wenn unterstellt werde, daß eine Vereinbarung im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG getroffen worden sei, ihren Teilzeitkräften nicht die tarifvertraglich weiter vorgesehenen Sondervergütungen geleistet. Bei der Prüfung der Frage, ob sich eine vom Tarifvertrag abweichende arbeitsvertragliche Regelung zugunsten des Arbeitnehmers auswirke, sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die abweichende Regelung getroffen worden sei, so daß eine Kompensation nur dann zulässig sei, wenn sich im voraus mit Sicherheit sagen lasse, daß die Regelung auf Dauer für den Arbeitnehmer günstiger sei. Es sei nicht auszuschließen, daß in der Person einer bestimmten Teilzeitkraft einmal so viele Arbeitsstunden in einem bestimmten Jahr ausfielen, daß die Vergütung der verbleibenden Arbeitsstunden auf der Grundlage von 1,125 x 8,-- DM netto nicht mehr ausreiche, die abbedungene Jahressondervergütung zu kompensieren.
Durch die Verletzung der Tarifverträge habe die Beklagte zugleich auch gegen § 1 UWG verstoßen. Ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag enthalte hinsichtlich der darin vereinbarten Lohnregelungen verbindliche Rechtsnormen, denen unmittelbare wettbewerbliche Relevanz zukomme. Zwar sei die Entlohnung eines Arbeitnehmers zunächst eine innerbetriebliche Maßnahme. Gleichwohl könne die untertarifliche Entlohnung hier Gegenstand eines Unterlassungsbegehrens sein, weil bei der Gebäudereinigung ein überdurchschnittlich hoher Personalkostenanteil anfalle, so daß die Beklagte sich durch die untertarifliche Entlohnung ihrer Teilzeitkräfte einen beachtlichen Wettbewerbsvorteil bereits in der bloßen Möglichkeit verschaffe, durch eine günstigere Preisgestaltung ihre Wettbewerber zu unterbieten. In einem solchen Falle spreche eine tatsächliche Vermutung für die Annahme, daß dieser Wettbewerbsvorteil durch entsprechende Preisgestaltung - zumindest teilweise - auch tatsächlich zu realisieren versucht werde, so daß, jedenfalls wenn die Tarifunterbietung bewußt und planmäßig erfolge, bei der in einem solchen Fall gebotenen einheitlichen Betrachtungsweise bereits die untertarifliche Entlohnung als der erste und entscheidende Akt der nach § 1 UWG zu beurteilenden Wettbewerbshandlung anzusehen sei. Das gelte auch dann, wenn der Versuch, die tarifwidrige Verminderung der Lohnkosten durch Preisunterbietung zwecks Erlangung von Aufträgen wettbewerblich einzusetzen, tatsächlich nicht zum Erfolg führe. Andernfalls wäre die untertarifliche Entlohnung gerade in solchen Fällen nicht als wettbewerbswidrig zu bekämpfen, in denen sich, wie im Gebäudereinigungsgewerbe, eine solche Entlohnung eingebürgert habe. Da die Beklagte planmäßig handele, komme es auf die Frage, ob es sich bei den mißachteten Tarifverträgen um werthaltige oder wertneutrale Vorschriften handele, nicht an. Da das Unterlassungsbegehren der Klägerin nach seiner Begründung auf untertarifliche Entlohnung von Teilzeitkräften gerichtet gewesen sei, sei dies auch in der Urteilsformel auszusprechen gewesen.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Die Revision rügt mangelnde Bestimmtheit des Klageantrags, weil dieser den Verbotsgegenstand mit dem unscharfen Begriff eines ›Vorteils durch Preisunterbietung‹ bezeichne. Diese Bedenken erscheinen nicht unbegründet.
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Verwendung von Begriffen, die näherer Präzisierung bedürfen, die erforderliche Bestimmtheit eines mit ihrer Hilfe umschriebenen Klagebegehrens nicht in jedem Fall ausschließt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 11. 10. 1990 - I ZR 35/89, GRUR 1991, 254, 256 = WRP 1991, 216 - Unbestimmter Unterlassungsantrag I; BGH, Urt. v. 9.4.1992 - I ZR 171/90, GRUR 1992, 561, 562 = WRP 1992, 560 - Unbestimmter Unterlassungsantrag II). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Unschärfe des verwandten Begriffs einen Punkt betrifft, der Gegenstand des konkreten Streits ist (BGH aaO - Unbestimmter Unterlassungsantrag II); denn in einem solchen Falle würde mit der Verwendung des Begriffs der über ihn bestehende Streit aus dem Streitverfahren in die Vollstreckungsinstanz verlagert, in die er nicht gehört, und dem Beklagten damit die erforderliche Verteidigung in unangemessener Weise erschwert (vgl. BGH aaO - Unbestimmter Unterlassungsantrag II).
So liegt der Fall aber hier, weil die Frage, was unter einer Preisunterbietung zu verstehen ist und wann und in welcher Weise diese zur Verschaffung eines Wettbewerbsvorteils führt, einer der zentralen Streitpunkte der Parteien im Rechtsstreit ist. Vorliegend bestehen auch dann noch Bedenken gegen die Verwendung dieses Begriffes, wenn, was rechtlich zulässig ist, der Sachvortrag des Klägers oder die Entscheidungsgründe zur Auslegung der Urteilsformel herangezogen werden (vgl. BGH aaO - Unbestimmter Unterlassungsantrag II). Denn auch dann erscheinen Zweifel möglich, ob der Antrag der Klägerin bzw. der ihm folgende Urteilsausspruch mit hinreichender Deutlichkeit erfaßt, was - wie zur Begründetheit näher auszuführen sein wird - eigentlicher Gegenstand des Verbots sein soll.
Die Frage der Bestimmtheit des Antrags bedarf aber letztlich noch keiner abschließenden Entscheidung. Anders als in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. April 1992 (BGH aaO - Unbestimmter Unterlassungsantrag II) zugrundeliegenden Fall steht die Unbestimmtheit des Unterlassungsbegehrens hier nicht zweifelsfrei fest, sondern sie weist - insoweit vergleichbar dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 1990 (BGH aaO - Unbestimmter Unterlassungsantrag I) einen engen Zusammenhang mit der - im folgenden vorzunehmenden - materiell-rechtlichen Beurteilung des Unterlassungsbegehrens auf. Der Klägerin wird deshalb nach der auch aus anderen Gründen gebotenen Zurückverweisung der Sache vom Berufungsgericht noch Gelegenheit zu geben sein, ihren Antrag im Sinne eines möglichen Inhalts und Umfangs des Unterlassungsbegehrens zu präzisieren.
2. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte entlohne bei ihr beschäftigte Teilzeitkräfte untertariflich.
a) Nach den insoweit auch von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte in dem für die Beurteilung herangezogenen Zeitraum bei ihr beschäftigten Teilzeitkräften einen Nettolohn von 8,-- DM stündlich gezahlt, während nach dem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag 8,21 DM zu zahlen gewesen wären. Die Revision wendet sich auch zu Recht nicht dagegen, daß das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, daß nach § 4 Abs. 3 TVG von den zwingenden Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann, wenn eindeutig und von vorneherein festgestellt werden kann, daß die getroffene Vereinbarung für die Arbeitnehmer günstiger ist (vgl. BAG AP § 4 TVG Nr. 13 m. Anm. Wiedemann), und daß die Abrechnungsweise der Beklagten, die tatsächlich geleistete Arbeitszeit mit 1,125 zu multiplizieren, als eine solche Vergünstigung in Betracht kommen könnte.
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind aber im Unternehmen der Beklagten keine derartigen Vereinbarungen getroffen worden. Die gegen diese Feststellung gerichteten Rügen der Revision hat der Senat geprüft; sie sind nicht begründet (§ 565 a ZPO).
c) Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die Beklagte leiste den bei ihr beschäftigten Teilzeitkräften nicht die tarifvertraglich festgelegten Jahressondervergütungen. Das Berufungsgericht hat hierfür - ohne sich damit in Widerspruch zu seiner gegenteiligen Feststellung zu setzen - lediglich unterstellt, daß eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden sei, und eine Kompensation nach § 4 Abs. 3 TVG auch auf der Grundlage dieser Unterstellung verneint, und zwar mit der Begründung, daß Teilzeitbeschäftigte unregelmäßige Arbeitszeiten leisteten und im Verlaufe eines Jahres nicht immer die Anzahl an Arbeitsstunden erreichten, deren es bei der Berechnungsweise der Beklagten bedürfte, um den untertariflichen Stundenlohn über die zeitabhängige Sondervergütung auszugleichen.
Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Entgegen der Rüge der Revision beruht diese Begründung nicht auf einer grundlosen Vermutung, sondern auf einer Feststellung des Berufungsgerichts, die nicht als lebenserfahrungswidrig beurteilt werden kann.
3. Dagegen begegnen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Wettbewerbswidrigkeit des angegriffenen Verhaltens der Beklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Unzutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach den Lohnregelungen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags unmittelbare wettbewerbliche Relevanz zukomme, was bedeuten würde, daß ihre Verletzung regelmäßig zugleich ein Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 1 UWG wäre. Ungeachtet gewisser Auswirkungen auf den Wettbewerb der Arbeitgeberseite (vgl. dazu Kempen in Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 5 Rdn. 2) wird mit der Allgemeinverbindlichkeit primär ein sozialpolitisches Ziel verfolgt (Kempen aaO Rdn. 5); aus Gründen, die im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverhältnis der Arbeitgeber zueinander stehen, kann das für sie erforderliche öffentliche Interesse nicht hergeleitet werden (BAG AP § 5 TVG Nr. 16, Bl. 441, 445), und erst recht dient sie nicht dem Schutz von Individualinteressen im Wettbewerb.
Eine unmittelbare wettbewerbsrechtliche Relevanz der Tariflohnunterschreitung ergibt sich auch nicht daraus, daß die Rechtsprechung regelmäßig einen Verstoß gegen § 1 UWG als gegeben ansieht, wenn im Wettbewerb Normen verletzt werden, denen eine dem Schutzzweck des UWG entsprechende sittlich-rechtliche Wertung zugrunde liegt (vgl. etwa BGHZ 81, 130, 132 - Grippewerbung; BGHZ 98, 330, 336 f. - Unternehmensberatungsgesellschaft I; BGHZ 110, 278, 289 f. - Werbung im Programm). Denn um eine solche Norm handelt es sich bei einer gemäß § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärten Lohnfestlegung in einem Tarifvertrag schon deshalb nicht, weil diese Festlegung letztlich auf einer freien Vereinbarung autonomer Vertragsparteien beruht, in der vorrangig deren Interessen zum Ausgleich kommen und für die sittlich fundierte Wertvorstellungen oder auch nur außerhalb der Parteiinteressen liegende Allgemeininteressen regelmäßig keine maßgebliche Rolle spielen.
Demgemäß stellen Verletzungen von Tarifverträgen durch Lohnunterschreitungen - ebenso wie die anderer nicht unmittelbar wettbewerbsbezogener und wertneutraler Normen - nur dann einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, wenn sie seitens des Arbeitgebers systematisch zu dem Zweck erfolgen, sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber vertragstreuen Wettbewerbern zu verschaffen (vgl. BGHZ 84, 130, 135 - Flughafen-Verkaufsstelle; BGH, Urt. v. 30. 3. 1988 - I ZR 209/86, GRUR 1988, 699, 700 - qm-Preisangaben II).
b) Hiervon ist allerdings - ungeachtet seines abweichenden Ausgangspunktes - im späteren Verlauf seiner Begründung auch das Berufungsgericht ausgegangen; denn es hat weiter geprüft, ob die - auch von ihm als zunächst innerbetriebliche Maßnahme beurteilte - Tarifunterschreitung zu einem Wettbewerbsvorteil der Beklagten geführt hat. Den Erwägungen, mit denen es dies bejaht hat, kann jedoch auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht beigetreten werden.
c) Das Berufungsgericht hat - ungeachtet seiner eigenen abweichenden engeren Begriffsumschreibung eingangs seiner Erwägungen auf Seite 17 BU - zutreffend erkannt, daß ein im Sinne des § 1 UWG relevanter Wettbewerbsvorteil noch nicht allein in der durch die Tarifunterschreitung geschaffenen bloßen Möglichkeit einer besseren Preisgestaltung gesehen werden kann; denn eine solche Möglichkeit zeitigt, solange sie nicht tatsächlich im Wettbewerb genutzt wird, keine Auswirkung auf letzteren und kann deshalb auch kein unlauterkeitsbegründender Umstand im Sinne des § 1 UWG sein. Dem steht nicht entgegen, daß in Rechtsprechung und Literatur der Wettbewerbsvorteil teilweise allein in der Unterschreitung des Tarifs (RGZ 117, 16, 22) bzw. der darin liegenden Eignung zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils (Jacobs in Handbuch des Wettbewerbsrechts, § 46 Rdn. 34) oder in der Schaffung lediglich einer günstigen ›wettbewerblichen Ausgangslage‹ (BGH, Urt. v. 3. 11. 1959 - I ZR 120/58, GRUR 1960, 193, 195 = WRP 1960, 13 - Frachtenrückvergütung) gesehen worden ist; denn an der den Gedanken des notwendigen Wettbewerbsvorsprungs vernachlässigenden Auffassung des Reichsgerichts kann aus den vorstehenden Gründen - die auch die Auffassung Jacobs aaO als zu weitgehend erscheinen lassen - nicht festgehalten werden, und der vom Bundesgerichtshof (aaO - Frachtenrückvergütung) gewählte Begriff der ›wettbewerblichen Ausgangslage‹ steht bei sinngerechter Auslegung nicht im Widerspruch zur vorstehend dargelegten Auffassung des Senats, wonach die Verbesserung der Lage nicht lediglich betriebswirtschaftliche, sondern tatsächlich wettbewerbliche Auswirkungen zeitigen muß.
Mit Recht hat das Berufungsgericht daher nur in der Realisierung der geschaffenen Möglichkeit durch entsprechende Preisgestaltungen seitens der Beklagten den Wettbewerbsverstoß gesehen. Es hat auch zutreffend erkannt, daß letzterer nicht die tatsächliche Unterbietung fremder Preise - also den Erfolg der günstigen Preisgestaltung - voraussetzt; vielmehr genügt als wettbewerbsrelevanter Vorsprung die durch entsprechend günstigere Preiskalkulation geschaffene bessere Ausgangssituation im Wettbewerb ohne Rücksicht darauf, ob bzw. wie oft sie zu einem tatsächlichen Erfolg führt (so auch OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 103, 104 und OLG Frankfurt GRUR 1988, 844).
d) Auf rechtliche Bedenken stoßen jedoch einerseits die Annahme des Berufungsgerichts, seine Beurteilung dessen, was als Wettbewerbsverstoß anzusehen sei, habe im Tenor des landgerichtlichen Urteils hinreichend Berücksichtigung gefunden, und andererseits die Art und Weise, in der es die auch nach seiner Auffassung erforderliche Realisierung der Möglichkeit einer besseren Kalkulation feststellen zu können gemeint hat.
aa) Bei der Beurteilung, ob der vorliegend angenommene Wettbewerbsverstoß in der Formel des landgerichtlichen Urteils Berücksichtigung gefunden habe, hat das Berufungsgericht vernachlässigt, daß letztere - abgesehen von der bereits im Zusammenhang mit der Zulässigkeitsfrage angesprochenen Unbestimmtheit einzelner darin verwendeter Begriffe - ausdrücklich auf einen ›Vorteil durch Preisunterbietung‹ abstellt und daß es nach der vorstehend als zutreffend beurteilten Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf eine tatsächliche Preisunterbietung nicht maßgeblich ankommt. Dies wird im Zusammenhang mit der erforderlichen Überprüfung von Antrag und Tenor und bei einer etwaigen Mitwirkung des Berufungsgerichts bei der Formulierung eines sachdienlichen Antrags (§ 139 ZPO) zu berücksichtigen sein.
bb) Die erforderliche Realisierung der durch die Tarifunterschreitung gegebenen Kalkulationsmöglichkeit hat das Berufungsgericht schon deshalb angenommen, weil bei einem lohnintensiven Gewerbe wie dem der Beklagten eine tatsächliche Vermutung dafür spreche, daß Vorteile aus der Lohntarifunterschreitung in die Preiskalkulation einflössen. Dem kann nicht beigetreten werden.
Zwar spricht nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß die durch eine systematische Lohntarifunterschreitung geschaffene Möglichkeit einer niedrigeren Preisgestaltung gerade bei einem lohnintensiven Gewerbe wie dem der Parteien auch in dieser Weise ausgenutzt wird; jedoch reicht dies allein nicht aus, um eine entsprechende - beweiserbringende - Vermutung zu begründen. Von einer solchen könnte nur (zu Bedenken selbst insoweit vgl. neuerdings MünchKommZPO/Prütting, § 292 Rdn. 22 f.) die Rede sein, wenn der Schluß für eine Ausnutzung im Wettbewerb nach der Lebenserfahrung wirklich zwingend wäre; dem - ebenso wie der Annahme eines Anscheinsbeweises - stehen jedoch nicht gänzlich fernliegende Möglichkeiten einer Nutzung des Tarifvorteils in anderer Weise als im Wettbewerb entgegen. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung erscheint es auch keineswegs ausgeschlossen, daß solche Vorteile lediglich dazu verwendet werden, die Gewinnspannen der angestrebten Geschäfte - und damit Möglichkeiten der Gewinnentnahme oder Rücklagenbildung - zu verbessern. Das Berufungsgericht hätte daher nähere Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Beklagte die an sich zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen geeigneten Tarifunterschreitungen auch zu besonderen Preisgestaltungen genutzt hat. Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, dann könnten wegen der Schwierigkeit der Feststellung, ob es zu sittenwidrigen Preisgestaltungen gekommen sei, untertarifliche Entlohnungen nicht erfolgreich mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts verfolgt werden, hat es zunächst nicht beachtet, daß es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist, den Festlegungen in Tarifverträgen über die in § 4 Abs. 1 TVG angeordnete unmittelbare und zwingende Geltung hinaus zu einer weiteren Durchsetzung zu verhelfen, solange nicht unabdingbare Voraussetzungen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erfüllt sind.
Des weiteren hat das Berufungsgericht auch außer acht gelassen, daß die von ihm befürchteten Schwierigkeiten der Feststellung nicht in dem angenommenen Ausmaß bestehen, weil in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Grundsätze entwickelt worden sind, die unter bestimmten Voraussetzungen dem darlegungs- und beweispflichtigen Kläger Erleichterungen bei der Beweisführung verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1962 - I ZR 43/61, GRUR 1963, 270, 272 = WRP 1962, 404 - Bärenfang; Urt. v. 28. 6. 1974 - I ZR 62/72, GRUR 1975, 78, 79 = WRP 1974, 552 - Preisgegenüberstellung I; Urt. v. 20. 12. 1977 - I ZR l/76, GRUR 1978, 249, 250 = WRP 1978, 210 - Kreditvermittlung; Urt. v. 17. 10. 1984 - I ZR 187/82, GRUR 1985, 140, 142 = WRP 1985, 72 - Größtes Teppichhaus der Welt; vgl. auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl. 1992, Kap. 47 Rdn. 30-32 m.w.N.). Solche Voraussetzungen sind auch im vorliegenden Fall erfüllt. Die Art und Weise der Verwendung des Lohnvorteils ist eine Frage aus dem betriebsinternen Bereich der Beklagten (vgl. dazu BGH aaO - Bärenfang), über die sie sich ohne größeren Aufwand erklären kann, während die - außerhalb des Geschehensablaufs stehende (vgl. dazu BGH aaO - Preisgegenüberstellung I) - Klägerin dazu Behauptungen nicht oder nur unter größten Erschwerungen und Risiken aufstellen kann; unter diesen Umständen sowie insbesondere im Hinblick auf die nach der Lebenserfahrung hohe Wahrscheinlichkeit einer Ausnutzung der Tariflohnunterschreitung für wettbewerbliche Vorteile widerspräche es Treu und Glauben, wenn die Klägerin auch den geringen Rest an Zweifel hinsichtlich solcher Wettbewerbsvorteile ausräumen müßte, ohne daß die Beklagte verpflichtet würde, insoweit - erleichternd - die ihr unschwer möglichen tatsächlichen Angaben zu machen. Dieser Pflicht genügt die Beklagte allerdings noch nicht dadurch, daß sie - wie bislang geschehen - nur darlegt, sie habe mit den angebotenen Preisen noch höher als andere Wettbewerber oder die Klägerin gelegen und sei deshalb bei einem Angebot nicht zum Zuge gekommen. Denn nicht die Preisunterbietung als solche, sondern die Ausnutzung der Möglichkeit, die Angebotspreise infolge der Tarifunterschreitung anders als ohne eine solche gestalten zu können, ist Grundlage eines nach § 1 UWG auszusprechenden Verbots und folglich Gegenstand der zu treffenden Feststellungen.
III. Demgemäß ist auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993170 |
BGHZ 120, 320 |
BGHZ, 320 |
BB 1993, 315 |
DB 1993, 631 |
NJW 1993, 1010 |
BGHR UWG § 1 Wertneutrale Normen 14 |
BGHR UWG § 1 Wettbewerbsvorsprung 6 |
BGHR ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2 Bestimmtheit 21 |
BGHR ZPO § 286 Beweiserleichterung 3 |
GRUR 1993, 980 |
WM 1993, 1058 |
ZIP 1993, 458 |
JuS 1993, 872 |
MDR 1993, 329 |
WRP 1993, 314 |
ZBB 1993, 116 |