Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändung einer Lebensversicherung und anschließende Insolvenz des Versicherungsnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Werden in einer Kapitallebensversicherung alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Versicherer gepfändet, so erfasst die Pfändung das Recht auf die Hauptleistung des Versicherers in jeder Erscheinungsform, d.h. auf Ablaufleistung, Rückkaufwert und Überschussbeteiligung, ohne dass es auf den Eintritt des Versicherungsfalles und die Fälligkeit der Forderung ankommt.
2. Wird nach wirksamer Pfändung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers/Schuldners eröffnet, und wird der Anspruch auf die Ablaufleistung der Lebensversicherung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig, so steht dem Pfändungsgläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 50 InsO zu. Dem steht § 140 InsO nicht entgegen, da es hiernach auf das Entstehen, nicht auf die Fälligkeit der Forderung ankommt.
Normenkette
ZPO § 829; InsO §§ 50, 140
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 14.10.2008; Aktenzeichen 5 O 103/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 14.10.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Ansprüche gegen die Beklagte als Lebensversicherer des Insolvenzschuldners W. T. geltend und begehrt die Auszahlung von Lebensversicherungsleistungen nach Versicherungsablauf.
Am 6.11.2007 wurde über das Vermögen des W. T. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 7 f. d.A.). Der Insolvenzschuldner unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der K. Lebensvers. AG, drei Lebensversicherungen zu den Versicherungsnummern ...,... und ..., die seit 1995 beitragsfrei geführt wurden. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind ausschließlich die Lebensversicherungen zu Nrn. ... und ... Bereits am 26.11.1986 hatte das Finanzamt ... wegen rückständiger Steuerzahlungen des Insolvenzschuldners die Ansprüche aus den Lebensversicherungen gepfändet (Bl. 3 d.A.). Diese Pfändung wurde am 4.4.2007 wiederholt (Bl. 9 f. d.A.).
Der Beklagten ihrerseits steht ausweislich des Vollstreckungsbescheids des AG Stuttgart vom 2.10.2003 eine Forderung i.H.v. 18.007,82 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.7.2003 gegen den Insolvenzschuldner zu (Bl. 46 d.A.). Auf die Mitteilung des Finanzamtes von der Pfändung erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 24.4.2007, dass eine Auszahlung wegen eigener Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner nicht in Betracht komme (Bl. 13 f. d.A.). Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Celle vom 13.6.2007 pfändete die Beklagte die Ansprüche des Insolvenzschuldners aus den drei Lebensversicherungen (Bl. 18 f. d.A.). In dem Beschluss heißt es u.a.:
"Gepfändet werden alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners auf alle mit der K. Lebensvers. AG geschlossenen Lebensversicherungen (z.B. Versicherungssumme) sowie auf Gewinnanteile und auf Rückzahlung des Rückkaufwertes, u.a. hinsichtlich des LV-Nr. ...,... und ..."
Die Pfändung erfolgte hinsichtlich einer Gesamtsumme von 22.679,06 EUR. Die Beklagte meldete die Forderungen ferner am 12.12.2007 vorsorglich beim Kläger zur Insolvenztabelle an (Bl. 15 f. d.A.). Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 7.2.2008 zur Zahlung aus den Lebensversicherungen auf (Bl. 21 f. d.A.), was die Beklagte mit Schreiben vom 20.2.2008 ablehnte (Bl. 23 f. d.A.). Die Lebensversicherungen ... und ... sind am 1.3.2008 bzw. 1.12.2007 zur Auszahlung fällig geworden (Bl. 5 d.A.).
Das Finanzamt ... verzichtete am 11.2.2008 (Bl. 26 d.A.) und am 11.3.2008 (Bl. 53 d.A.) auf Rechte aus dem zu seinen Gunsten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Am 3.3.2008 erklärte die Beklagte ggü. dem Kläger, dass sie aus den Verträgen ... und ... Ablaufleistungen i.H.v. insgesamt 22.989,83 EUR entnommen und mit ihren Forderungen aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Celle vom 13.6.2007 verrechnet hat (Bl. 25 d.A.).
Der Kläger hat vorgetragen, die fraglichen Beträge stünden der Insolvenzmasse zu. Eine Aufrechnung seitens der Beklagten mit ihr zustehenden Ansprüchen sei nicht erfolgt, da sie ihre eigenen Ansprüche selbst zur Tabelle angemeldet habe, ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sonst überflüssig gewesen wäre und eine vorangegangene Pfändung durch das Finanzamt erfolgt sei (Bl. 4, 62 d.A.). Ferner hat der Kläger die Aufrechnung nach § 133 InsO angefochten, da die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners gewusst habe (Bl. 5 d.A.). Schließlich hat der Kläger die Ansi...