Entscheidungsstichwort (Thema)
Elternunterhalt: Teilweise Verwirkung wegen außergerichtlicher Ermäßigung der Unterhaltsforderung
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Elternunterhalt ist teilweise verwirkt, wenn der Unterhaltspflichtige aufgrund entsprechender Mitteilungen der Unterhaltsberechtigten darauf vertrauen darf, dass sie rückwirkend keinen höheren Unterhalt geltend machen werde.
Normenkette
BGB §§ 242, 1611, 1601
Verfahrensgang
AG Hannover (Urteil vom 08.05.2008; Aktenzeichen 608 F 6313/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8.5.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Hannover teilweise geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Elternunterhalt für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2005 i.H.v. 3.642 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 9.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachverhalts und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des AG - Familiengericht - Hannover vom 8.5.2008 verwiesen.
Das AG hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Elternunterhalt für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2005 i.H.v. 8.008,26 EUR zu zahlen. Dem lagen angenommene übergegangene Unterhaltsansprüche der Mutter des Beklagten - begrenzt durch gewährte Sozialhilfeaufwendungen - im Zeitraum von Januar 2004 bis März 2004 von monatlich 480,42 EUR, von April 2004 bis Januar 2005 von monatlich 366 EUR, von Februar 2005 bis einschließlich Juni 2005 von monatlich 369 EUR und von Juli 2005 bis einschließlich Dezember 2005 von monatlich 177 EUR zugrunde. Der Beklagte hat dagegen Berufung mit dem Ziel der Klageabweisung insgesamt eingelegt.
II. Die Berufung des Beklagten ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Der Anspruch auf Elternunterhalt aus übergegangenem Recht ist über einen Betrag von monatlich 157 EUR für den Zeitraum von Januar 2004 bis einschließlich Juni 2005 und von monatlich 136 EUR für den Zeitraum von Juli 2005 bis einschließlich Dezember 2005 hinausgehend verwirkt. Der Beklagte durfte aufgrund entsprechender Mitteilungen der Klägerin darauf vertrauen, dass die Klägerin rückwirkend keinen höheren Unterhalt geltend machen wird. Erfahrungsgemäß stellt sich ein Unterhaltsschuldner wirtschaftlich darauf ein, dass der Unterhaltsgläubiger keinen über den konkret bezifferten Unterhalt hinausgehenden Unterhalt geltend machen wird. Soweit die Klägerin im Verlauf der außergerichtlichen Korrespondenz ihre Unterhaltsforderung immer wieder ermäßigt hat, durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass keine höhere Inanspruchnahme erfolgen wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die durch außergerichtliche Schriftsätze erfolgten Ermäßigungen der Unterhaltsforderung jeweils Ergebnis der außergerichtlichen Korrespondenz, in welcher der Beklagte Abzugspositionen vorgetragen hat, waren.
Die Klägerin setzte mit Schreiben vom 2.3.2006 und vom 3.3.2006 den durch den Beklagten zu zahlenden Unterhalt aus Einkommen mit monatlich 162 EUR ab 1.1.2004 fest. Mit Schreiben vom 5.10.2006 setzte die Klägerin den durch den Beklagten zu zahlenden Unterhalt aus Einkommen mit monatlich 157 EUR ab 1.1.2004 und i.H.v. 248 EUR ab 1.7.2005 fest. Am 13.9.2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis 30.6.2005 ein Unterhaltsbetrag von 203 EUR und für den Zeitraum ab 1.7.2005 ein solcher von 136 EUR zu zahlen sei. Danach konnte sich der Beklagte darauf einstellen, bis Juni 2005 nur monatlich 157 EUR und ab Juli 2005 nur monatlich 136 EUR zu schulden.
Im Übrigen ist der Unterhaltsanspruch nicht verwirkt. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen außergerichtlichen Korrespondenz bestand auf Seiten des Beklagten kein Vertrauensschutz, dass die Klägerin ihn nicht mehr in Anspruch nehmen würde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst dem Begehren des Beklagten, den evtl. Haftungsanteil seines Bruders zu ermitteln, entsprochen und gegen den Bruder des Beklagten einen Rechtsstreit geführt hatte. Aufgrund dieses Begehrens des Beklagten setzte die Klägerin in dem Zeitraum vom 7.6.2005 bis einschließlich 2.3.2006 das von ihr betriebene "Festsetzungsverfahren" ggü. dem Beklagten aus und teilte dieses dem Beklagten mit. Nach abschließender Ermittlung der Klägerin hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Bruders des Beklagten teilte die Klägerin ihr Ergebnis dem Beklagten mit und führte ihr Festsetzungsverfahren fort. In dem weiteren Schriftwechsel wies der Beklagte u.a. erneut auf die Haftung seines Bruders hin und bestritt die von der Klägerin mitgeteilte Leistungsunfähigkeit seines Bruders. Die Parteien führten ihren Sch...