Leitsatz (amtlich)
Ein Schmerzensgeldanspruch wegen unzumutbarer Unterbringung in gemeinschaftlichem Haftraum kommt nicht in Betracht, wenn dies weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs- noch der Genugtuungsfunktion geboten erscheint.
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.7.2003 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Hannover geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Wert des Berufungsverfahrens: 200 Euro.
Gründe
I. Der Kläger verbüsste eine Freiheitsstrafe in der JVA … Zum Zwecke der Besuchszusammenführung wurde er verlegt und befand sich vom 10.7. bis 12.7.2002 als sog. Durchgangsgefangener in der Transportabteilung der JVA …, wo er mit weiteren vier Gefangenen in dem Gemeinschaftshaftraum 4115 untergebracht war. Die Strafvollstreckungskammer des LG Hannover hat auf seinen Antrag vom 11.7.2002 mit Beschluss vom 16.9.2002 (73 StVK 48/02), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Rechtswidrigkeit der Unterbringung des Klägers festgestellt, der deshalb die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verlangt.
Das LG hat das beklagte Land im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung, mit der das beklagte Land Klagabweisung begehrt.
Die Beklagte rügt, das LG habe die örtlichen Gegebenheiten des Haftraumes nicht hinreichend berücksichtigt, weil eine bauliche Abtrennung des WC/Waschbereichs zum übrigen Haftraum vorliege. Eine konkrete Belästigung durch die Haftsituation habe der Kläger auch nicht geltend gemacht. Vorwerfbar pflichtwidriges Verhalten sei den Bediensteten nicht anzulasten zumal sich auch der Kläger während der Unterbringung nicht unmittelbar beschwert habe.
Jedenfalls scheide ein Anspruch wegen §§ 839 Abs. 3, 254 BGB aus, denn der Kläger habe ein Rechtsmittel nicht eingelegt. Dies wäre auch – entgegen der Auffassung des LG – nicht offensichtlich aussichtslos gewesen. Hier hätte eine Einzelunterbringung jedenfalls in der Krankenabteilung der JVA organisiert werden können. Der Kläger habe dagegen nicht um eine Einzelunterbringung nachgesucht.
Rechtsfehlerhaft habe das LG die gebotene Abwägung betroffener Interessen nicht vorgenommen. Schließlich sei auch eine Geldentschädigung hier nicht geboten. Der Kläger habe hinreichenden Ausgleich bereits durch die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erhalten. Schließlich sei auch die Höhe der zugesprochenen Entschädigung unangemessen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen. Die Akten 73 StVK 48/02 LG Hannover waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II. Die Berufung der Beklagten hat i.E. Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden für die Art und Weise der zweitägigen Unterbringung.
Der Senat folgt dem LG i.E. zwar darin, dass die Unterbringung des Klägers in dem Haftraum 4115 der JVA … gemeinsam mit vier weiteren Gefangenen eine schuldhafte Amtspflichtverletzung nach §§ 839, 847 BGB, Art. 34 GG darstellt. Gleichwohl erscheint es aus Gründen der Billigkeit nicht geboten, dem Kläger unter den hier vorliegenden Umständen eine Entschädigung zuzusprechen.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Durch die rechtskräftige Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des LG Hannover vom 16.9.2002 steht für den Senat bindend fest, dass die Unterbringung des Klägers in dem genannten Zeitraum objektiv rechtswidrig gewesen ist.
Es gelten hier die gleichen Grundsätze für die Bindung der Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess, die die Rspr. für Maßnahmen ausgesprochen hat, die bereits Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens oder eines Verfahrens nach § 23 EGGVG gewesen sind (vgl. BGH v. 17.3.1994 – III ZR 15/93, MDR 1994, 773 = NJW 1994, 1950). Die dort vom BGH für das Verfahren nach § 23 EGGVG anerkannte Bindungswirkung muss auch entspr. für das im vorliegenden Fall durchgeführte Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG gelten. Die gesetzliche Regelung und das Verfahren sind dem der §§ 23 ff. EGGVG vergleichbar, sodass auch hier eine entspr. Bindung der Zivilgerichte besteht.
Diese Bindungswirkung betrifft nicht nur den Ausspruch der Rechtswidrigkeit der Unterbringung in dem Gemeinschaftshaftraum selbst, sondern auch zwangsläufig die Feststellung dieser Maßnahme als eines tatsächlichen Geschehens, wie es ebenso bei verwaltungsgerichtlichen Entsche...